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Rezension: Die ganze Pflanze. 60 Zero-Waste-Rezepte mit Blatt, Schale, Strunk und Stiel. Regional. Saisonal. Nachhaltig | Susann Kreihe & Amalija Andersone #Pflanzenwoche

Ich gestehe: Karottengrün, die Blätter von Radieschen und Kartoffelschalen habe ich bisher eigentlich immer weggeworfen. Aber ich wusste ganz schwammig im Hinterkopf: für die meisten dieser Dinge gibt es noch eine essbare Verwendung. Als ich also Die ganze Pflanze entdeckt habe, war ich sehr erfreut. Endlich ein Kochbuch mit Rezepten, für die ich nicht nur beispielsweise die Karotte, sondern auch das Grünzeug brauche!

Nun. Ich möchte nicht ausschließen, dass meine Erwartungen vielleicht falsch waren. Ich war jedenfalls ziemlich enttäuscht, denn: entgegen dem Titel werden bis auf wenige Ausnahmen nicht ganze Pflanzen für die Rezepte verwendet, sondern nur die Reste, die sonst oft übrig bleiben. Was ja an sich auch nicht schlecht ist, so kann man zumindest diese Reste verwerten. Das Versprechen, die titelgebende ganze Pflanze zu verwerten, das wird hier jedoch leider nicht gehalten. Aber was kann das Buch denn dann?

Aufbau

Das Kochbuch startet mit etwa 20 Seiten Einleitung über klimafreundliches Kochen, Infos über beispielsweise den CO2-Abdruck einzelner Lebensmittel und hält Tipps zur richtigen Lagerung sowie einen Saisonkalender bereit. Besonders der Kalender ist meiner Meinung nach sehr praktisch, da ich zwar wusste, das zum Beispiel Paprika oder Kirschen nicht in den Winter gehören, aber bei Stangensellerie habe ich noch nie so genau nachgeforscht.

An die Einleitung schließen sich direkt die Rezept-Kapitel an. Jedes Kapitel nimmt sich ein Gemüse oder Obst vor. So gibt es Rezepte für Reste von Äpfeln, Pastinaken, Fenchel, Grünkohl oder Radieschen. Zum Schluss gibt es ein Kapitel „Von allem etwas“, wo gemischte Reste zu Gemüsebrühe oder Teigtaschenfüllung verarbeitet werden können. Die ganze Pflanze endet mit einem Register der Rezepte und Zutaten.

Begleitet werden die Infotexte und Rezepte von schönen Fotografien, die entweder eine Seite oder sogar ganze Doppelseiten füllen. Das Papier ist, im Gegensatz zu so vielen Kochbüchern, die mir bisher in die Finger gekommen sind, nicht hochglänzend, sondern matt und rau. So, wie Papier nun mal ist. Das war sicherlich eine bewusste Entscheidung in der Produktion und mir gefällt sie.

Einleitung, Infos etc.

„Wie viel genießbares werden wir eigentlich weg? Wie weit ist der Weg eines Produkts vom Feld auf den Teller? Was bedeutet „regional“?“ Diese und weitere Fragen werden in der Einleitung von Die ganze Pflanze besprochen. Auch Themen wie Regrowing, Urban Gardening oder Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) werden erwähnt, meiner Meinung sind aber 4-5 Sätze zu kurz, um wirklich zu erklären was das ist und wie es funktioniert.

Die Doppelseite „Mit Vorsicht genießen“ erklärt, warum Aprikosenkerne, Kartoffelschalen oder Tomatenstiele nicht oder nur in Maßen gegessen werden sollten. „Es muss nicht immer exotisch sein“ schlägt Alternativen zu nicht-regionalen Lebensmitteln vor, die die gleichen Inhaltsstoffe haben. Zum Beispiel beinhalten Walnusskerne genau wie Avocados ungesättigte Fettsäuren und können alternativ gegessen werden. Aus diesem Kapitel nehme ich hauptsächlich mit, dass man mit Honig genauso gut kochen kann wie mit Zucker, und bei Honig kann man a) regional bleiben und b) Imker unterstützen, was c) der Arterhaltung der Bienen dient. (Den Wildbienen hilft das nicht, ich weiß, aber es ist ein Anfang.)

Ich finde diese einleitenden Kapitel zwar durchaus interessant, aber bei vielem frage ich mich: was hat das in einem Kochbuch zu suchen? Ist es ein Kochbuch oder ein Ratgeber zu klimabewussterem Gärtnern oder Verbrauchen? Lagerungshinweise sind schön und gut, auch der Saisonkalender passt dazu. Aber die Texte, die sich nicht darum oder um die schädlichen Pflanzenbestandteile drehen, finde ich wenig passend. Vor allem, weil sie nicht ausführlich genug sind. Auf mich wirkt das ein bisschen lieblos; als hätte man ein, zwei thematisch verwandte, aber für das Kochbuch nicht wirklich relevante Stichpunkte unbedingt unterbringen wollen, ohne den Gedanken fertig zu denken.

Es ist möglich, dass ich hier zu pingelig bin und andere Leute sich sehr über diese Kapitel freuen. Aber ich für meinen Teil habe lieber ein dünneres Kochbuch in meinem begrenzten Küchenregal stehen, das sich auf das konzentriert, was man an dieser Stelle braucht – Rezepte, Saisonkalender, Lagerungshinweise und Warnungen vor giftigen Pflanzenteilen -, als einen unfertig wirkenden Ratgeber mit ein paar Rezepten.

Die Bücher der #Pflanzenwoche auf einen Blick! Anstiftung zum gärtnerischen Ungehorsam; Was blüht denn da?; Unverwüstliche Zimmer- und Balkonpflanzen; Die schönsten Zimmerpflanzen für dunkle Räume; Food for Future; Die ganze Pflanze
Die Bücher der #Pflanzenwoche auf einen Blick!

Resteverwertung

Apropos Rezepte. Wie eingangs schon erwähnt erwartete ich Rezepte, die die GANZE! PFLANZE! verwerten. Nicht nur Teile davon. Ich wollte ein Bund Karotten kaufen können und das ganze Ding, Wurzeln und Blattgrün, verarbeiten können. Stattdessen bekomme ich Vorschläge, wie ich das Grünzeug, und das Grünzeug allein, verarbeiten kann. Aber nicht nur das, einige Rezepte verlangen außerdem nach Zutaten, bei denen ich teilweise nicht einmal weiß, woher ich sie bekommen soll, oder die den eigenen Ansprüchen des Buches, regional zu bleiben, widersprechen.

Goldhirse zum Beispiel, so verrät eine kurze Online-Recherche, braucht sehr heiße Regionen, um ihre typische Farbe zu entwickeln. Dafür ist Deutschland jetzt weniger bekannt. Und Hirse allgemein stammt eher aus Asien – auch Bio-Hirse. Oder Hanfsamen: nicht einmal im Alnatura-Markt oder im Unverpackt-Laden habe ich die jemals gesehen. Solche Zutaten sind nicht für alle Rezepte erforderlich, aber für mich ist das ein Indikator für die Zielgruppe von Die ganze Pflanze: Menschen, für die solche Zutaten zum Alltag gehören, genauso wie verschiedenste Sorten Essig, Salz in unterschiedlichen Korngrößen und eine ganze Sammlung an Pflanzenölen.

Das sind keine typischen deutschen Otto Normalverbaucher und auch keine Anfänger bei dem Thema regional, saisonal, nachhaltig Kochen, um den Untertitel aufzugreifen. An solche Nutzer richtet sich aber die Einleitung. Hat man mitten im Produktionsprozess des Buches die Zielgruppe verändert? Oder war das Projekt von vornherein so unausgegoren?

Etikettenschwindel?!

Für mich gibt es viel zu viele Widersprüche zwischen dem Inhalt und der Verpackung des Buches. „Regional“, was ja im Untertitel steht, sind nicht alle enthaltenen Zutaten. „Saisonal“ konnte man nur in den Untertitel schreiben, weil der Saisonkalender enthalten ist. Sonst gibt es nichts, was darauf hindeutet. Und „nachhaltig“ mag es ja sein, die Reste zu verwerten, die man zuhause hat. Aber wenn ich für deren Verwertung Zutaten kaufen muss, für die ich sonst keinerlei Verwendung habe, dann finde ich das nicht mehr besonders nachhaltig.

Und das hier ist auch nicht das Gelbe vom Ei: fünf von zehn Beispielseiten, die als „Blick ins Buch“ auf der Verlagsseite angezeigt werden, sind gar nicht im Buch enthalten. Auf zwei davon war ich besonders neugierig, aber naja. Vielleicht waren diese Seiten in der engeren Auswahl fürs Buch und wurden später gestrichen und/oder ersetzt. Dann sollten sie aber auch nicht online zu sehen sein und für das Buch werben. Und, auch nicht so toll: auf dem Cover sind ein Zucchino und eine Frühlingszwiebel abgebildet. Beide haben als Basis-Zutat für Resteverwertung im Buch ebenfalls keinen Platz gefunden. Wie auch, da gibt es keine Reste zu verwerten.

Vielleicht ist „Etikettenschwindel“ hart ausgedrückt. Doch die Definition passt: der Titel verspricht fälschlicherweise die Verarbeitung der ganzen Pflanze, der Untertitel nennt drei Merkmale für Zutaten und Rezepte, die nur sehr begrenzt zutreffen, und die online abgebildeten Beispielseiten sind teilweise nicht einmal enthalten. Wenn das alles nicht wäre und man einen treffenderen Titel für das Buch gewählt hätte, der den tatsächlichen Inhalt abbildet, zum Beispiel „Mit Gemüseresten kochen“ oder „Resteverwertung in der Küche“, dann wäre ich mit ganz anderen Erwartungen an das Buch herangegangen und jetzt sicherlich nicht halb so enttäuscht.

Fazit

Die ganze Pflanze bietet Rezepte für Pflanzen-Reste – Gemüse, Obst, eben pflanzliche Lebensmittel, die oft übrig bleiben und weggeworfen werden. Für die Frage „Was mache ich aus den Resten?“ ist es also ideal, obwohl nicht besonders gut gemacht. Wenn aber wirklich die ganze Pflanze verwertet werden soll, von der Frucht über die Schale bis zum Blatt am Stiel, dann ist dieses Buch nicht das richtige für euch, obwohl der Titel das verspricht. Gut gefallen mir der Saisonkalender und die allgemeine Aufmachung. Die Fotos sind sehr schön. Schade finde ich, dass nur so wenige verschiedene Obst- und Gemüsearten Raum in Die ganze Pflanze fanden und für jede Art nur maximal 5 Rezepte enthalten sind. Ich hätte mir mehr Vielfalt gewünscht – und vor allem einen treffenderen Titel!

Dank geht raus an den Verlag für das Rezensionsexemplar und ein zweites Exemplar zum Verlosen!


Es ist #Pflanzenwoche hier auf Buchstabensalat !

Schon seit einigen Monaten spukt die Idee für eine Aktionswoche durch meinen Kopf, in der ich mich nur auf Bücher über Pflanzen konzentriere. Jetzt ist es endlich soweit und ihr bekommt diese Woche ganz verschiedene Bücher präsentiert! Es geht ums Kochen, um Pflanzenbestimmung unterwegs, um Zimmerpflanzen für dunkle Räume und den Balkon und auch Guerillagärtnern kommt nicht zu kurz! Abschließend habt ihr die Chance, selbst einige dieser Bücher zu gewinnen.
Also bleibt dran! Lest die Artikel, sammelt die hervorgehobenen Buchstaben und wer am Ende das richtige Lösungswort errät, hüpft in den Lostopf für die Bücher- und Pflanzenpakete!

Die #Pflanzenwoche auf einen Blick:

Freitag: Ankündigung der #Pflanzenwoche und Erklärung des Gewinnspiels

Montag: Was blüht denn da? Kosmos-Naturführer
Heute: Die ganze Pflanze. 60 Zero-Waste-Rezepte mit Blatt, Schale, Strunk Stiel. Regional. Saisonal. Nachhaltig
Mittwoch: Unverwüstliche Zimmer- und Balkonpflanzen. 50 Überlebenskünstler, die mit fast gar nichts auskommen
Donnerstag: Food for Future. Das restlos gute Kochbuch: nachhaltig, klimafreundlich und lecker
Freitag: Anstiftung zum Gärtnerischen Ungehorsam. Bekenntnisse einer Guerillagärtnerin
Samstag: Die schönsten Zimmerpflanzen für dunkle Räume
Sonntag: Gewinnspiel

Sonntag in einer Woche: Gewinnspiel-Auflösung und Bekanntgabe der Gewinner*innen


Bibliografische Angaben

Titel: Die ganze Pflanze. 60 Zero-Waste-Rezepte mit Blatt, Schale, Strunk und Stiel. Regional. Saisonal. Nachhaltig
Autorin: 
Susann Kreihe
Fotos: Amaija Andersone
Verlag: 
Christian Verlag
Genre:
Kochbuch, Zero Waste, Resteverwertung

Preis: 24,99 € (kaufen bei genialokal.de)
ISBN: 
978-3-959-61411-5
Format: 
Hardcover
Umfang: 
192 Seiten
Erschienen: 
27.05.2020
Besonderheit: mit Lesebändchen

4 Kommentare

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