Zum Inhalt springen

Hörbücher oder: Ich kann mich nicht erinnern!

In dieser Reihe von Artikeln schreibe ich frei heraus, was mich gerade beschäftigt. Dabei drehen sich die Themen um Bücher, Serien, Filme und alles, was mit Buchstaben zu tun hat. Diese Kolumnen laden zum Austausch in den Kommentaren ein.

Hörbücher zum Einschlafen

Ich gehöre zu den Menschen die sagen: „Hörbücher hören zählt genauso viel wie lesen.“ (Jedenfalls ganz allgemein gesprochen.) Gerade unter Buchblog-Kolleg*innen sehe ich es häufiger, dass beim tracken der gelesenen Bücher Hörbücher nicht mitgezählt werden. Dabei denke ich mir immer wieder: sind das keine Geschichten, die verfolgt, genossen und durchlebt werden? Ist die Zeit, die man mit diesen Charakteren verbringt oder die man dieser Geschichte widmet weniger wert, nur weil man nebenbei bügeln, puzzeln, sticken oder kochen kann? Das finde ich irgendwie nicht fair.

Aber gleichzeitig tue ich mich schwer mit Hörbüchern. Ich liebe sie, gerade zum Einschlafen. Wenn die vorlesende Person gut gewählt ist – was eine sehr subjektive Sache ist – und die Stimme mich so richtig schön einlullen kann, dann gibt es für mich nichts besseres als ein Hörbuch, um meine Einschlafprobleme zu beheben. Das erschwert aber etwas anderes: Das aktive Zuhören und Erinnern. Wenn ich nämlich Hörbücher zum Einschlafen höre, dann kann ich mich nie so richtig erinnern, an welcher Stelle ich eingeschlafen bin, wo ich also am nächsten Tag starten muss.

Ein GIF aus der Serie "Gilmore Girls". Zu sehen ist Lorelai Gilmore in einer Szene, die beim wöchentlichen Abendessen bei ihren Eltern spielt. Der Untertitel lautet: "I have no memory of this whatsoever." Sie trägt eine blaue Bluse und im Hintergrund sind verschiedene Blumensträuße zu sehen.

Hörbücher für nebenbei

Leider ist das nicht das einzige Problem, das ich mit Hörbüchern habe. Das Erinnerungs-Problem tritt nämlich auch auf, wenn ich nicht während des Hörens einschlafe.

Vor einigen Monaten habe ich meinem Schwager in spe ein Puzzle geschenkt. Darin war ein Drei ???-Rätsel verpackt (à la Exit-Spiel), mit UV-Lampe, Begleitheft und allem drum und dran. Da ich sichergehen wollte, dass auch alles funktioniert, habe ich es erst mal selbst ausprobiert und das Puzzle gelegt. Und nebenbei das Hörbuch zu Andrzej Sapkowskis Der Hexer 1 – Das Erbe der Elfen angemacht. Vor ein paar Tagen dachte ich an das Buch und sofort kam der Schrecken: Ich erinnere mich an nichts! Nada. Obwohl ich dasselbe Hörbuch seitdem mehrfach zum Einschlafen eingeschaltet habe, da mir die Stimme des Sprechers gut gefällt!

Wie kann das sein?! Nun. Ich habe da eine Theorie.

Ein GIF. Zu sehen sind sieben Bücher, die sich auf der linken Seite des Bildes von allein stapeln. Auf der rechten Seite steht "Learn new things", wobei jedes Wort in einer eigenen Zeile steht. Die Worte "Learn" und "things" sind blau, "new" ist gelb. Die Bücher haben die Farben blau, gelb, rot und orange.

Lerntypen

In der sechsten Klasse hat mein damaliger Lateinlehrer mit uns eine Projektwoche durchgeführt. Ziel war es herauszufinden, wie jede*r von uns am besten lernen kann. Passenderweise hieß das Projekt „Lernen lernen“. Habt ihr das damals vielleicht auch gemacht? Jeder Tag der Woche war einer anderen Lernmethode gewidmet: Am Montag haben wir uns zum Beispiel im Kreis aufgestellt und reihum Gegenstände weitergereicht, die wir befühlt haben (haptischer1 Lerntyp). Ein Tafelschwamm, ein Radiergummi, ein Apfel, ein Buch, eine Büroklammer, … Ich weiß nicht mehr genau, wie viele Gegenstände es waren, aber hinterher war ein ganzer Tisch voll damit. Darüber wurde ein Tuch ausgebreitet, sodass wir nichts mehr erkennen konnten. Und dann sollten wir alle Gegenstände aufzählen.

Am Dienstag haben wir uns Bilder angeschaut (visueller Lerntyp), die wir dann aus dem Gedächtnis nennen sollten. Am Mittwoch haben wir eine CD abgespielt, auf der bestimmte Begriffe vorgelesen wurden (auditiver Lerntyp). Auch diese Worte sollten später wiederholt werden. Und am Donnerstag haben wir uns gegenseitig Worte gesagt, die später wiederholt werden sollten (kommunikativer Lerntyp). Dazwischen gab es viele verschiedene Übungen zum weiteren Ausprobieren. So konnte jede*r von uns herausfinden, welche Methode für uns am besten funktioniert, ganz individuell. Das war sehr hilfreich, weil mit dem neu gestarteten Lateinunterricht jede Menge Vokabellernen auf uns zukam.2

Und mein Ergebnis lautete: am besten lerne ich mit der haptischen Methode, danach kommt die kommunikative, dann die visuelle und erst ganz zum Schluss die auditive Methode. Und damit wären wir wieder bei Hörbüchern.

Ein GIF. Zu sehen sind stilisierte In-Ear-Kopfhörer, zwischen denen Geräusche in Form von wachsenden und schrumpfenden vertikalen Balken dargestellt werden. Es soll darstellen, dass Töne aus den Kopfhörern dringen und damit die in diesem Artikel beschriebenen Hörbücher abbilden. Das GIF ist komplett weiß, die Kopfhörer, Kabel und der Sound sind grob stilisiert in Orange.

Erinnerungslücken

Es reicht einfach nicht, eine Geschichte zu hören, um sie in meinem Gedächtnis tief genug zu verankern. Ein paar Wochen später habe ich schon Erinnerungslücken und weiß keine Details mehr. Ein halbes Jahr später ist sie komplett verschwunden. Ich brauche Bilder oder geschriebene Worte, damit Dinge bei mir hängen bleiben. (Das ist auch sehr frustrierend, wenn Freund*innen mir Ereignisse aus ihrem Leben erzählen oder man mir einen Termin nur nennt. Spätestens zwei Wochen später frage ich dann: wie war das nochmal?) Es ist nicht so, dass ich total vergesslich wäre. Ich brauche die Dinge einfach schriftlich, damit sie langfristig in meinem Gehirn abrufbar sind.

Nur funktionieren Hörbücher so nicht. Und das ist der Grund, warum ich die Bücher, die ich als Hörbuch besitze, auch als Buch gelesen habe oder noch lesen möchte. Das Erbe der Elfen wartet in meinem Regal darauf, dass ich es lese, denn es steht auf meiner Challenge-Liste für 2021. Die Mercy Thompson-Reihe von Patricia Briggs kenne ich in- und auswendig, so oft habe ich sie gelesen und gehört. Cat & Bones von Jeanine Frost und Die Eisraben-Chroniken von Richard Schwartz eignen sich auch hervorragend zum Einschlafen. Aber ich erinnere mich an die Details der Geschichten nur deshalb, weil ich sie auch gelesen habe.

Als Vorbereitung auf den Start der 2. Staffel The Witcher (angekündigt für den 17. Dezember 2021 auf Netflix) reicht es für mich also nicht, nebenbei die Hörbücher zu hören, während ich putze oder andere Dinge im Haushalt erledige, sondern ich muss mir die Zeit nehmen, das Buch/die Bücher aktiv zu lesen.

Ich für meinen Teil fand es damals schon faszinierend und ich bin heute noch begeistert, dass mein damaliger Lehrer sich so viel Zeit dafür genommen hat, uns allen ein bisschen Starthilfe in den Lateinunterricht zu geben. Denn ich zehre heute noch davon zu wissen, welche Lernmethoden für mich am besten funktionieren.

Ein GIF. Dean Winchester aus der Serie Supernatural macht einen übertrieben verführerischen Gesichtsausdruck und zieht eine Augenbraue hoch, während er lächelt. Der Untertitel lautet "How are you doing?" und ist eine Anspielung auf Joey Tribbiani aus der Serie Friends.

Und ihr?

Kennt ihr eure Lerntypen? Wie nehmt ihr Hörbücher auf?
Habt ihr auch Schwierigkeiten, euch an die Inhalte zu erinnern, nachdem ihr das Buch nur einmal gehört habt?

Ich bin gespannt auf eure Kommentare und bedanke mich an dieser Stelle für das Lesen meiner ersten Kolumne. Auf viele weitere!


1 Das Prinzip funktioniert bei mir übrigens auch mit dem Geruchs- und Geschmackssinn: Wenn ich heute Nudeln mit Hähnchengeschnetzeltem und irgendeiner billigen Tütensoße (z. B. 3-Pfeffer oder Tomate-Mozzarella) koche und esse, erinnere ich mich allein durch den Geruch und Geschmack an die Let’s Plays, die ich in meinen ersten Semestern an der Uni beim Mittagessen geschaut habe, als ich mir nichts anderes leisten konnte. Empfehlen kann ich zum Beispiel Planet Coaster von Rahmschnitzel oder Horizon – Zero Dawn von Gronkh, beide habe ich damals erstmals gesehen.

2 Die genaue Wissenschaft dahinter habe ich – oh Wunder – nicht mehr auf dem Schirm. Es gibt Kritik an dieser Einteilung in Lerntypen, weil neurologisch keine Belege existieren. Wie auch immer: mir hat es geholfen.

5 Kommentare

  1. Toller Artikel!
    Mir geht es da ähnlich wie dir. Deswegen hebe ich Bücher, die mich als Hörbuch begeistern auf um sie noch einmal zu lesen. Ist das nicht der Fall, schmeiße ich sie teilweise einfach aus dem Regal. Ich erinnere mich schon, aber mir ist schon aufgefallen, dass ich viele Details verpasse. Oder aktuell höre ich „Ich bin Gideon“. Das Buch ist nicht schlecht, aber unglaublich komplex, besonders was die ganzen Namen angeht, sodass ich öfter ins Straucheln gerate. Ich zähle Hörbücher beim tracken auch nicht wirklich mit, aber das liegt auch daran, dass ich sie meist nicht rezensiere. Sie laufen eben nebenher, machen einen geduldigeren Autofahrer aus mir. 😀
    Für mich sind Bücher und Hörbücher einfach zwei Welten, die man nicht auf eine Stufe stellen sollte. Beide mit eignen Vor- und Nachteilen. Manche Bücher hören sich besser, andere lesen sich besser.

    • Danke für das positive Feedback! „Ich bin Gideon“ und seinen Vorgänge möchte ich auch noch lesen. Lohnt sich das? Ich würde dann auf jeden Fall nach dem Buch greifen, so, wie du es beschreibst. 🙂
      Deine Sichtweise kann ich nachvollziehen, dass man beides unabhängig voneinander betrachten sollte.
      – Henrike

  2. diese Projektwoche zum Thema Lernen lernen klingt spannend. Sowas hätte ich mir auch gewünscht.
    Ich glaube, ich bin eher der Lerntyp, der alles aufschreibt, möglichst oft, aber auch Notizen häufig liest. Das mache ich nämlich momentan, weil ich morgen einen Test schreibe (und am Montag noch mal). Der Test wird 6 Fragen umfassen – aus einer Vorlesung, die ein ganzes Semester ging. Mir raucht der Kopf (und vorher muss ich in einem Seminar noch eine Präsentation halten. Dafür muss ich zum Glück nichts lernen).

    Was Hörbücher betrifft: ich kann mich darauf nicht konzentrieren. Auch zum Einschlafen höre ich keine. Find lesen viel besser, weil ich dabei aktiv sein muss. Wenn ich abdrifte, merke ich das schneller, als wenn ich beim Hören abdrifte. Podcasts wiederum sind was anderes. Die sind ja meistens auch nicht so lang und für Zwischendurch oder bei der Arbeit ganz angenehm.

    • Ich hoffe, deine Tests liefen gut? Aktuell bin ich selbst wieder am Lernen.
      Ja, das Abdriften beim Hören kenne ich soo gut! Das ist eines der größten Probleme, wenn ich mich am nächsten Tag zu erinnern versuche, wo ich wieder einsteigen muss. Podcasts mag ich grundsätzlich recht gern, aber sie müssen thematisch und von der Art der Menschen her schon sehr gut zu mir passen, damit ich dabei bleibe. Dabei kann man aber auch gut einzelne Episoden überspringen, ohne den Faden zu verlieren. Darin sehe ich einen großen Vorteil von Podcasts. Wie siehst du das?
      – Henrike

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert