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Aufmerksam wurde ich auf Bonds and Curses durch das Cover, das wirklich toll gestaltet ist und die Magie, die das Buch verspricht, geradezu verströmt. Danach wurde ich sehr neugierig auf diese Geschichte, weil der Klappentext ein düsteres Abenteuer voller Gefahren in der Anderwelt der keltischen Mythologie verspricht. Ziemlich schnell wurde dann aber schon nach wenigen Kapiteln deutlich, dass ich den Punkt „Erin beginnt gerade ihr Studium“ etwas unterschätzt hatte:
Sie ist gerade erst fertig mit der Schule und damit eben noch nicht so richtig im Erwachsenenleben angekommen, obwohl sie schon während der Schulzeit gearbeitet hat und somit eigentlich einen guten Einblick hätte haben können. Ihre Gedanken- und Gefühlswelt ist die eines Teenagers, nicht die einer jungen Erwachsenen. Das ist einer der beiden Gründe, weshalb ich lange Zeit mit Bonds and Curses nicht recht warm wurde.
Der andere Grund ist, dass die Handlung erst nicht in Gang kommen wollte und dann viel zu schnell vorpreschte. Es fühlte sich so an, als sei die große Mission, die nicht nur die Anderwelt sondern sogar die Menschenwelt vor dem drohenden Untergang retten sollte, innerhalb von zwei Tagen abgehakt und als seien die großen Hürden, an denen andere vor Erin und Connor tödlich gescheitert sind, eigentlich kein großes Problem, so einfach konnten die beiden die jeweiligen Lösungen finden.
Das, zusammen mit dem absolut gar nicht so düsteren Weltendesign, das mir nicht tief genug ging und etwas oberflächlich blieb, sorgte für mich für das Gefühl, ein Buch für Zehn- oder vielleicht Zwölfjährige zu lesen und nicht ein Buch für junge Erwachsene. Dazu später mehr.
Das blieb so, bis die unvermeidliche Liebesgeschichte beginnt und zwei Figuren plötzlich nicht mehr die Finger voneinander lassen können. Das fühlte sich genau deshalb so schräg und unpassend an, weil Erin vorher einfach keinerlei Interesse daran gezeigt hat. Von jetzt auf gleich wurde ein Schalter umgelegt, und auf einmal sind sie Seelenverwandte? Zugegeben, die Art und Weise wie die Seelenverbindung hier dargestellt wird, hat mir richtig gut gefallen!
Aber dass aus einem gelegentlichen „oh, seine Augen sind eigentlich ganz hübsch“ und „du erinnerst mich an etwas Schreckliches aus meiner Vergangenheit, also blaffe ich dich an, sooft ich kann“ ohne richtigen Übergang ein „ich will nicht zurück in meine Welt gehen, weil ich dich verlassen müsste“ und „lass uns hinter einer Säule versteckt herummachen“ wird – das war mir einfach zu unrealistisch (und das will einiges heißen, in einem Fantasy-Roman). Gegen Ende gab es einige Szenen, in denen ich mich stark an Bella und Edward aus Twilight erinnert gefühlt habe – diese Ausweglosigkeit von obsessiver Liebe, das „mein Leben wird vorbei sein, wenn wir uns nicht mehr sehen können“.
Ich möchte nicht nur Schlechtes über Bonds and Curses schreiben, denn letztendlich hat mich dieses Buch doch auch unterhalten. Ich mag die Botschaften, die hier vermittelt und die Themen, die angesprochen werden sollen (auch, wenn es manchmal ziemlich on-the-nose war und man es subtiler hätte verpacken können): Klimaschutz, Politikversagen, Gruppenzwang, eigene Entscheidungen treffen, die auch mal gegen den Wunsch der Eltern gehen, Vergebung auch sich selbst gegenüber, der Mut, man selbst zu sein, Coming Out. Wie beispielsweise auch in Smaragour – Die Dracheninsel sind die einzelnen Bauteile von Bonds and Curses nicht grundsätzlich schlecht – aber das Ergebnis nach der Kombination dieser Bauteile funktioniert für mich einfach nicht.
Eine Ursache für meine beiden großen Probleme mit diesem Buch sehe ich darin, dass weder auf NetGalley, wo ich auf Bonds and Curses aufmerksam geworden bin, noch auf der Website der Autorin, wo ich vorab ein bisschen gestöbert habe, eine Altersempfehlung angegeben wurde. Nach dem Lesen, erst direkt vor dem Schreiben dieser Rezension, habe ich in einigen gängigen Onlineshops nachgesehen und musste feststellen, dass Bonds and Curses ab 14 Jahren empfohlen wird. Hätte ich diese Information vorab gehabt, wäre ich mit völlig anderen Erwartungen an Bonds and Curses herangegangen!
Dass es keine Altersempfehlung gibt (dort, wo ich naheliegenderweise zuerst nach Informationen gesucht habe), ist normalerweise ein Hinweis darauf, dass ein Buch an ein erwachsenes Publikum gerichtet ist. Auch Formulierungen wie „Frauenschwarm“ oder „mordlüsterne magische Wesen“ im Beschreibungstext deuten auf ein älteres Zielpublikum hin (bei einem vierzehnjährigen Zielpublikum und einer Hauptfigur, die gedanklich noch in der Schule ist, erwarte ich eher „Mädchenschwarm“). Sogar das Coverdesign kann sich in eine Reihe mit Fantasyromanen für Erwachsene oder zumindest für die Sparte New Adult stellen. Dagegen gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass Bonds and Curses sich eben an Jugendliche richtet.
Nach dieser Erkenntnis ergibt es dann natürlich Sinn, dass die beschriebene Welt nicht zu komplex, die Geschehnisse nicht zu grauenhaft und die Gedanken und Gefühle der Hauptfiguren noch etwas kindlich erscheinen. (Es passt weiterhin nicht, dass Erin plötzlich ein regelrecht sexuelles Interesse ausdrückt, wo vorher ausschließlich und allerhöchstens vorsichtige Neugier war!) Trotzdem hatte ich eher das Gefühl, wie oben schon angedeutet, Abenteuer-Fantasy für Zwölfjährige zu lesen und nicht Romantasy, wie es von der Autorin beworben wird, für Vierzehnjährige.
Ich hatte öfter den kleinen Zeichentrick-Wikinger Wiki vor Augen, wie er sich an der Nase reibt und einen Gedankenblitz hat – genau so haben Erin und Conor die Rätsel gelöst, vor die sie gestellt wurden. Es gibt keine unlösbaren Aufgaben, keine wirklich tödlichen Feinde. Stattdessen sammeln sie Freunde und Verbündete auf allen Seiten und steuern geradewegs auf das Happy End zu.
Das letzte Drittel von Bonds and Curses hat mir besser gefallen als die vorherigen Abschnitte, weil die Hauptpersonen sich langsam in ihre Rollen eingefunden haben und die Handlung in einem ordentlichen Tempo voranging. Hier sind auch tatsächlich unvorhersehbare Wendungen vorgekommen, von denen einige wenige dann jedoch schon wieder zu abwegig für meinen Geschmack waren.
Ich finde es gut, wie Conors Geschichte ihr Ende findet und wie Erins Familienprobleme ausgehen. Fintan mochte ich von Anfang an und Cormack kam mir viel zu selten vor. Die Autorin weiß also durchaus, wie man gute Figuren schreibt, wenn es mir auch eher bei Nebencharakteren auffiel. Leider ließ, wie schon gesagt, das Wordbuilding etwas zu Wünschen übrig und das häufige „das hier ist die Moral von der Geschichte, ich sage es dir noch einmal, hast du es jetzt verstanden, liebe*r Leser*in?“ war stellenweise wirklich so betont, dass es den Lesefluss gestört hat.
Fazit
Ich werde zukünftig genauer schauen und dabei Spoiler in Onlineshops in Kauf nehmen müssen, wenn ich Enttäuschungen wie diese vermeiden möchte. Bonds and Curses hätte mir wahrscheinlich viel besser gefallen, wenn ich vor dem Lesen die nötigen Informationen zur Altersempfehlung gehabt hätte und dadurch meine Erwartungen andere gewesen wären. Trotzdem war das Buch nicht furchtbar schlecht, sondern „nur“ mit einer sehr simplen Struktur, einer ziemlich oberflächlich beschriebenen Welt und einer nach nachvollziehbaren Romanze. Ich habe Bonds and Curses immer noch lieber gelesen als andere Bücher in diesem Jahr (zum Beispiel Die Prinzessinnen), aber dieses Buch wird mir wohl nicht lange im Gedächtnis bleiben.
PS: Der Gedanke kam mir später, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, was „Flammengezeichnet“ im Titel zu bedeuten hat, worauf in der Geschichte das Bezug nimmt.
Vielen Dank für das Rezensionexemplar an NetGalley und die Autorin!
Titel: Bonds and Curses. Flammengezeichnet
Autor*in: Anne Oldach
Übersetzung: –
Reihe: –
Verlag: Selbstverlag, Nova MD
Gerne/Themen/Altersempfehlung: Fantasy, keltische Mythologie, Liebe, Klimawandel, Coming Out, ab 14 Jahren
Preis: 18,99 € (kaufen auf genialokal.de)
ISBN: 978-3-9894256-3-7
Erschienen: 01.10.2024
gelesenes Format: digitales Rezensionsexemplar, erhältlich als Paperback und Hörbuch
Umfang: 384 Seiten
Besonderheit: schön gestalteter, limitierter Farbschnitt