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Nach vielen Fantasy-Romanen brauchte ich mal wieder etwas Romance als Abwechslung, da kam mir Echoes of the Past aus dem NetGalley-Adventskalender 2024 gerade recht.
Der Klappentext von Echoes of the Past verspricht viel, und das Buch hält auf den ersten Blick diese Versprechen: Die Formulierung „Hazel schleppt mehr Geheimnisse mit sich herum als sie tragen kann“ passt wirklich gut. Sie hat mir oft leidgetan, ist sie doch an den meisten Dingen absolut unschuldig. Und Damian ist die Erfüllung des Klischees „reiches liebloses Elternhaus, aber der Junge ist eigentlich ziemlich gut geraten“. Die beiden haben nette Freunde und zumindest Hazels Großvater bringt familiäre Zuneigung mit. Trotz dieser Pluspunkte bin ich mir ziemlich sicher, dass ich mir in wenigen Monaten nichts mehr über dieses Buch in Erinnerung rufen kann.
Denn in Echoes of the Past bleibt alles so unglaublich oberflächlich! Das kann natürlich zum Teil daran liegen, dass ich mit Band 2 und ohne Vorwissen über Band 1 in diese Figurenkonstellation eingestiegen bin – womöglich geht Band 1 viel mehr ins Detail. Allerdings beschäftigt sich Band 1 mit einem anderen Paar, also dürften Damian und Hazel da nur Nebenfiguren sein, falls Hazel aufgrund ihrer jahrelangen Abwesenheit überhaupt auftaucht.
Nach meinem jetzigen Wissensstand weiß ich über die Freunde von Damian kaum mehr als ihre Namen, dass er mit einigen studiert und andere schon seit der Kindheit kennt und dass er sich mit einem einen Hund als Haustier teilt. Echoes of the Past schildert aber keine einschneidenden Erlebnisse, die die Freundschaften haben entstehen lassen, und auch wie Hazel in die Gruppe aufgenommen wurde ist kaum Thema.
Selbst in den Rückblicken, die einen besseren Überblick über die Beziehung von Hazel und Damian bieten, wird nicht einmal deutlich, wie es dazu kam, dass Hazel und Summer – Damians beste Freundin – ebenfalls beste Freundinnen wurden. Und schon jetzt, etwa 2 Stunden nach dem Lesen von Echoes of the Past, weiß ich nicht, wie Hazel Gefühle für Damian entwickelt hat. Eine Szene, in der sie ein Paar werden, existiert. Aber wann ist aus Hazels Ablehnung von Damians Versuchen, ihr in bestimmten Momenten zu helfen, Zuneigung geworden? Keine Ahnung.
Das ganze Buch fühlte sich so an, als ob man mir einen Haufen Figuren vorsetzt und diese mir einen kurzen Ausschnitt aus ihrem Leben erzählen – nämlich wie Hazel wieder in der Stadt auftaucht und damit einige unterdrückte Gefühle bei vielen Leuten, sie selbst eingeschlossen, lostritt -, aber das war es auch schon. (An sich ist das kein Problem, dafür gibt es ja das Genre Slice of Life. Aber das passt hier auch nicht recht. Es wirkt nicht so, als sei das das gewünschte Ergebnis.)
Ich konnte nicht wirklich mit Hazels oder Damians Traumata mitfühlen, weil keinerlei Nähe zu den Hauptcharakteren aufgebaut wurde. Oder auch Jackson: Ja, er ist eindeutig der Böse in Echoes of the Past, keine Frage. Aber eine drei, vier Sätze lange Zusammenfassung von Hazel ist alles, was wir über den Ursprung dieser Situation erfahren. Da wurde sogar ihre drogenabhängige Mutter detaillierter beschrieben, und die ist neben den Weichen, die sie für Hazels Leben gestellt hat, eigentlich nur eine Randnotiz.
Darüber hinaus gibt es Momente, die mir wie Lücken in der Geschichte vorkommen („plot holes„). Ein Beispiel: Hazel erhält die Chance, ihre Gemälde in einer Galerie zum Verkauf auszustellen, und die Abholung der Bilder bei ihr zuhause wird angekündigt. Das ist ein wichtiger Moment für Hazel, weil es die Lösung all ihrer Probleme bedeuten könnte. Man wolle per Mail einen Zeitpunkt am nächsten Tag vereinbaren, sagt man ihr am Telefon. Bevor die Mail bei Hazel ankommt passiert aber etwas Schlimmes, weshalb ich davon ausging, dass das Thema Galerie erst einmal vom Tisch ist. Es wurde schlicht nie wieder erwähnt.
Und dann, ein paar Kapitel später, ist die Rede von einer großen Geldsumme, die durch den Verkauf der Bilder eingenommen wurde.
Wie kann das sein? Nie wurde ein Wort darüber verloren, wie Hazel die Abholung organisiert – geschweige denn ihren Mitmenschen, die nach dem schlimmen Vorfall sehr aufmerksam sind, den geheimen Kontakt zum Galeristen erklärt. Nie wurde die Preisverhandlung beschrieben, die anfangs erwähnt wurde, nie die Vorbereitungen auf den Versand, die Hazel hätte vornehmen müssen. Es war einfach nur: Galerist meldet Interesse an – etwas Schlimmes passiert – das Geld aus den Verkäufen ist da. Das wars.
Wie schon gesagt ist es durchaus möglich, dass die Figuren im ersten Band etwas mehr ausgeschmückt werden und es dann doch sinnvoll wäre, die Bücher in der Reihenfolge des Erscheinens zu lesen. Doch da der Fokus in Band 1 auf einem anderen Paar liegt und auf meiner Erfahrung mit ähnlich strukturierten New-Adult-Reihen basierend halte ich das für unwahrscheinlich. Es ändert auch nichts an der Tatsache, dass die Handlung von Echoes of the Past Lücken aufweist und dass die Beschreibungen der Erfahrungen, die sowohl Hazel als auch Damian als Kinder und Jugendliche machen mussten, kaum Mitgefühl entstehen lassen.
Um den letzten Satz etwas zu erklären, muss ich im folgenden Absatz minimal spoilern, weil hier auch einzelne Triggerthemen angesprochen werden. Wenn du das nicht lesen möchtest, kannst du einfach zum nächsten Absatz springen.
Natürlich habe ich Mitgefühl für Menschen, die misshandelt werden, die wie Hazel und Damian auf der Suche nach elterlicher Zuneigung nur kalte Erwartungen und Abscheu vorfinden oder in der Schule gemobbt werden. Aber dieser spezielle Fall von Damian und Hazel, diese konkrete Art in Echoes of the Past, über ihre Erlebnisse zu berichten, die Oberflächlichkeit und der Fakt, dass diesem emotionalen Trauma jeweils viel zu wenig Platz eingeräumt wird, all das sorgt dafür, dass es auf mich eher den Effekt eines kurzen Zeitungsberichts („xy ist passiert“) als den einer persönlichen, aufwühlenden Erzählung hat, bei der ich mich in die betroffenen Personen hineinversetzen könnte. Ich kenne die Figuren einfach nicht gut genug.
Fazit
Und, und das ist der Knackpunkt, das ist für mich eigentlich eine Grundvoraussetzung für gute New-Adult-Romance: Das Mitfühlen mit den Hauptfiguren, seien es positive oder negative Gefühle. „Gefühlsachterbahn“ ist ja nicht umsonst eines der wichtigsten Marketing-Schlagworte für diese Sparte. Und wenn diese Gefühlsachterbahn nicht funktioniert, wenn die emotionale Ebene beim Kinder-Kettenkarussell bleibt und durch die Oberflächlichkeit ein Eindruck von Unfertigkeit entsteht, dann ist Echoes of the Past für mich schlicht kein gutes Buch für dieses Genre.
Ich danke dem Verlag und NetGalley für das Rezensionsexemplar! #AlmostisntenoughEchoesofthePast #NetGalleyDE
Titel: Echoes of the Past
Autor*in: Jennifer Bright
Übersetzung: –
Reihe: Almost isn’t enough. Band 2
Verlag: Forever by Ullstein
Gerne/Themen/Altersempfehlung: New Adult, Liebe, Second Chance, Trauma, Gewalt, Drogen, toxische Beziehung, ab 16
Preis: 12,99 € (In deiner Lieblingsbuchhandlung kaufen.)
ISBN: 9783958188495
Erschienen: 16.12.2024
gelesenes Format: eBook, auch als Paperback erhältlich
Umfang: 416 Seiten
Besonderheit: Farbschnitt in limitierter Erstauflage
