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[Rezension] Love is Love – Eine Comic-Anthologie

Softcover | Panini | 148 Seiten | 16,99€ | 978-3-7416-0525-3 | ET 21.10.2017 | REX


Inhalt

Eine Comic-Anthologie für Gleichberechtigung, Respekt und Akzeptanz von Homosexuellen. Im Juni 2016 wurden bei einem Anschlag auf den Schwulen-Nachtclub in Orlando 49 Menschen brutal ermordet. Dies war der gravierendste Gewaltakt gegen Homosexuelle in den USA. In dieser Anthologie reagieren die unterschiedlichsten Comic-Künstler auf diese unfassbare Tat. In ihren Storys drücken sie Mitgefühl, Trauer und Sorge angesichts des Angriffs auf die homosexuelle Community aus, machen aber auch Hoffnung und setzen sich für Gleichberechtigung und Frieden ein.
Panini unterstützt die Hinterbliebenen der Opfer und den Lesben- und Schwulenverband LSVD in Deutschland mit 3 Euro pro verkauftem Band. Das Originalprojekt ist durch eine Zusammenarbeit von IDW und DC Comics entstanden, mit der Unterstützung vieler weiterer amerikanischer Verlage. Quelle


Meine Rezension

Liebe ist ein Thema, das nie aufhört, wichtig zu sein. Gerade in den letzten Jahren ist endlich auch die gleichgeschlechtliche Liebe und überhaupt alles, was nicht hetero ist, an die Oberfläche der gesellschaftlichen Wahrnehmung gestoßen. Noch nie habe ich Toleranz, Gleichberechtigung und Akzeptanz als öffentlich diskutierte Themen so omnipräsent wie in den letzten paar Jahren wahrgenommen.

Leider sind die Gründe dafür nicht immer so schön (im Gegensatz zum Voting-Ergebnis in Australien vor kurzem) – wie zum Beispiel der Anschlag auf den Schwulen-Nachtclub „Pulse“ in Orlando am 12. Juni 2016, bei dem 49 Menschen ermordet wurden. Aus dem darauf folgenden verzweifelten Wunsch, irgendetwas zu tun, und einer spontanen Idee entstand durch Mithilfe vieler Künstler diese Anthologie, in der unzählige sehr viele kurze Comics und teilweise wunderschöne Artworks zusammengefasst sind. Wer nun aber ausschließlich Regenbögen und strahlende Gesichter erwartet, weil das Cover so farbenfroh ist, wird enttäuscht. Stattdessen finden sich hier die verschiedensten Stile, die unterschiedlichsten Ansätze zur Bewältigung des Anschlags, diverse Gedanken und Gefühle. Kurz gesagt: Es ist für jeden etwas dabei.

Gefühlschaos

Während des Lesens ging es mir nicht immer gut. Die eine oder andere Träne konnte ich nicht unterdrücken und auch wütend bin ich zwischendurch geworden. An wieder anderen Stellen habe ich mir das Lächeln nicht verkneifen können und die Hoffnung schwappte nur so aus den Seiten. Und zwischendurch habe ich die Artworks bewundert und die Ideen, auf die die Künstler – Texter wie Zeichner – gekommen sind. Weil diese Anthologie absolut keine seichte und leichte Unterhaltung für Zwischendurch ist, habe ich sie immer mal wieder beiseite gelegt. Ich konnte sie nicht in einem Rutsch lesen, weil ich emotional einfach ausgelaugt war. Das ist bei mir keine Seltenheit; Bücher nehmen mich häufig so richtig mit – das ist einer der Gründe, warum ich so gern lese. Das heftige hieran war einfach, dass die Grundlage für jedes Szenario, das sich in dieser Sammlung wiederfindet, der Anschlag in Orlando war. Es mussten 49 Menschen sterben. Dieser Gedanke ließ mich nicht los, keinen Augenblick, als ich die Comics gelesen habe. Sehr gut gefällt mir daher, dass am Anfang des Bandes eine Liste der Toten abgedruckt ist, die die vollständigen Namen und Altersangaben umfasst. Diese 49 Toten bleiben hier nicht namenlos und werden teilweise auch explizit in den Werken genannt.

Für jeden etwas dabei

Ich lese wenige Comics. Früher habe ich die Lustigen Taschenbücher und die Abenteuer von Lucky Luke und Asterix & Obelix verfolgt, heute greife ich hauptsächlich – wenn überhaupt – nach Mangas. Deshalb kenne ich mich nicht besonders gut mit Comics aus, dadurch habe ich aber auch keine großen Ansprüche. Besonders gut gefällt mir an Love is Love, dass wirklich sehr viele verschiedene Stile zu finden sind. Es geht von Superhelden mit harten Linien, vielen Details und dunklen Farben über Federzeichnung und Aquarellmalerei bis hin zu stilisierten Bildern, die beinahe wie Strichmännchen aussehen. Mal umfasst ein Comic eine einzelne, mal eine Doppelseite. Manchmal ist es einfach ein riesiges Panel mit wenig, aber gut platziertem Text. Mal ist es mehr Text als Bild. Manchmal ist es eine einfache, kurze Geschichte, die Hoffnung schöpfen lässt; bei manchen Comics habe ich auch jetzt rückblickend noch keine Ahnung, was genau mir der Autor damit sagen möchte – doch das bedrückende Gefühl, ausgedrückt durch Farbe und Formen, kam auch bei mir an. In einigen Comics tauchen bekannte Helden wie Superman oder Batman auf, ein Artwort – das mir so gut gefällt, das ich es hier abbilden werde – zeigt Charaktere aus Harry Potter. Es sind total verschiedene Gedanken und Momente, die die Künstler hier zusammengestellt haben, die nur unterstreichen, dass die Unterschiede vollkommen egal sind, solange man sich liebt. Liebe ist eben Liebe. Love is Love.

Beispiele

Es gibt einen Comic, der thematisiert, dass nicht nur Homosexuelle von diesem Anschlag betroffen sind, und der mir besonders in Erinnerung geblieben ist: Über heterosexuelle Männer und Frauen, die in Clubs wie das „Pulse“ gehen, um nicht in „normalen“ Bars ständig angemacht zu werden und einfach Spaß zu haben. Diesen Menschen habe man durch diesen Anschlag ebenso den sicheren Hafen genommen wie den homosexuellen Menschen, die dort ein- und ausgehen.

Ein anderer Comic kommt fast ganz ohne Text aus und zeigt eine junge Frau, die jede Menge Spaß beim Feiern hat. Nach dem Tanzen kommt sie heim und geht schlafen. Am nächsten Morgen steht sie auf, entfernt die Reste der Schminke vom Vorabend und zieht ihre Arbeitskleidung an. Plötzlich sieht man, dass SIE eigentlich ein Mann ist. Rein theoretisch sieht es so aus, als ob ER fürs Feiern in eine andere Rolle schlüpft, doch ich habe das Gefühl, dass es genau umgekehrt ist: Für die Gesellschaftsnormen und die Arbeit trägt SIE eine Verkleidung und abends, wenn es in den Club geht, kann sie endlich sie selbst sein.

Ein anderer kurzer Comic zeigt, wie der Hass weitergetragen werden kann – und die Akzeptanz. Es wird die Vorbildfunktion der Eltern thematisiert.

Ein Comic zeigt eine Situation direkt nach Bekanntwerden der Nachrichten aus Orlando – und obwohl die genutzten Farben den Regenbogen symbolisieren, sind die Emotionen, die ich mitnehme, Verzweiflung und Angst, Panik. Denn die einzigen Farbkleckse sind die zahllosen SMS, die die Menschen an ihre Freunde und Verwandten schicken mit Fragen wie „Geht es dir gut? Ist dein Bruder in Sicherheit? Hast du von Erica gehört?“.

Ein weiterer Comic besteht aus einem einzigen Panel. Man sieht eine geschlossene Tür und Text, der vermuten lässt, was hinter dieser Tür passiert. Dann gibt es noch den eigentlichen Text, der verdeutlicht, dass man als Leser keine Ahnung hat, was hinter der Tür passiert und dass man sich einfach keine Gedanken darum machen und seine Nase aus anderer Leute Angelegenheiten heraushalten soll. Ich zitiere:

Nimm einfach folgendes an: Es handelt sich um erwachsene Menschen, die tun, was immer sie wollen, im gegenseitigen Einverständnis. So einfach ist das. Also bitte: Nicht stören!

Ich könnte noch so viele Comics erwähnen und am liebsten würde ich auch viel mehr Bilder zeigen, aber ich fürchte, das würde zu umfassend und ginge an die Grenzen des Urheberrechts. Deshalb:

Fazit

Ich kann jedem, der sich mit der Thematik, die ich einfach mal weit umfassend und treffend mit Love is Love umschreiben möchte, befassen will, diese Comic-Anthologie nur empfehlen. Man muss kein Comicnarr sein, um die Botschaften zu verstehen, und man muss nicht selbst zur LGBTQ+-Community gehören, um das Recht zu haben, Interesse zu zeigen. Ganz im Gegenteil, es werden so viele verschiedene Ansätze und Gedanken mit so vielen unterschiedlichen Stilen und Techniken kombiniert, dass jeder etwas finden wird, das ihm gefällt, dass seinen Ansichten entspricht oder mit dem er sich identifizieren kann. (Ich wollte eigentlich schreiben „dass jeder seine Freude damit haben kann“, aber da es eben nicht nur Freude ist, die hier zum Ausdruck gebracht wird, wäre das blöd formuliert.)

5/5

PS: Diese Rezension ist ziemlich lang geworden, selbst für meine Verhältnisse. Ich habe einfach drauflos geschrieben und alles raus gelassen, was raus musste. Vermutlich habt auch ihr alle eine Meinung zu Love is Love oder Akzeptanz und Gleichberechtigung. Ich fände es super, wenn ihr mir in den Kommentaren eure Ansicht hinterlassen mögt. Vielleicht kennt ja sogar schon jemand von euch diesen Band?


Weitere Rezensionen

  • Ich habe noch keine deutschsprachigen Rezensionen hierzu gefunden. In der nächsten Zeit werde ich mir mal die englischen anschauen und gucken, ob ich hier Verlinkungen einfügen mag.
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© Henrike Renken für WatchedStuff – November 2017

8 Kommentare

  1. Hey!
    Du hast mich jetzt sehr neugierig auf das Buch gemacht. Ich glaube die englische Version befindet sich schon eine Weile auf meiner Wunschliste.
    Nun bin ich sehr gespannt auf die Botschaften, die dort transportiert werden.

    Liebe Grüße,
    Nicci

    • Hey,
      dann habe ich ja mein Ziel erreicht. Das freut mich! Wenn du durch bist, wäre ich sehr neugierig auf deine Meinung.

      Liebe Grüße,
      Henrike

    • Ich freue mich drauf!

      – und über deinen Besuch. 🙂

  2. […] „Man muss kein Comicnarr sein, um die Botschaften zu verstehen, und man muss nicht selbst zur LGBTQ+-Community gehören, um das Recht zu haben, Interesse zu zeigen. Ganz im Gegenteil, es werden so viele verschiedene Ansätze und Gedanken mit so vielen unterschiedlichen Stilen und Techniken kombiniert, dass jeder etwas finden wird“ – Watched Stuff […]

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