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Rezension: Queer Heroes. 53 LGBTQ-Held*innen | Arabelle Sicardi

Dies ist keine Own-Voice-Rezension. Aber ich bemühe mich seit einigen Jahren, bewusst über meinen Tellerrand zu schauen und von Own Voices zu lernen. In diesem Fall war ich schlicht neugierig: Welche Personen, die leider oft völlig selbstverständlich und fälschlicherweise cis und hetero gelesen werden, identifizieren sich eigentlich ganz anders? Welche Figuren der Geschichte bereite(te)n jungen Menschen von heute den Weg, sich selbst akzeptieren zu können und diese Akzeptanz auch von anderen einzufordern?

Queer Heroes hat eine interessante, bunte Aufmachung. So schlicht das allgemeine äußere Design doch ist, so individuell und liebevoll gestaltet sind die einzelnen Seiten. Jede Person bekommt eine Seite, manchmal sogar eine Doppelseite. Zum Beispiel erhalten David Bowie und Josephine Baker etwas mehr Platz als Kristen Stewart oder Lili Elbe. In kurzen Texten wird die Geschichte der jeweiligen Person beschrieben. Wer ist/war das? Warum wird die Person in diesem Buch genannt? Was hat diese Person für die LGBTQ*-Community erreicht?

Queer Heroes: Innenansicht. Person: David Bowie, Doppelseite.
Queer Heroes: Doppelseite über David Bowie

Zielgruppe sind anscheinend Teenager, die ihren eigenen Weg suchen und Repräsentation ihrer eigenen Lebensrealität brauchen. Ich finde es unfassbar wichtig, dass es diese Repräsentation gibt, die Identifikation ermöglicht. Die letzten Jahre des deutschen Buchmarkts waren ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, was das angeht. Da ich selbst nicht in die Zielgruppe gehöre, nehme ich nicht soo viel aus diesem Buch mit. Was bei mir aber hängen bleiben wird, ist die Tatsache, dass die Welt und die Personen um mich herum noch viel bunter sind als ich bisher wahrgenommen habe. Ich habe auch mal wieder gesehen, dass die Geschichtsschreibung vieles auslässt oder verdreht, damit es den damaligen Ansprüchen genügte und zur zeitlichen Weltanschauung passte.

Eine Sache stört mich aber gewaltig: Es werden auch Personen genannt, bei denen alles nur eine Spekulation ist. Zwar schreibt die Autorin der Transparenz halber, dass man es bei diesen Leuten nicht so genau weiß, aber trotzdem: meiner Meinung nach sollte man hier nicht spekulieren. Falsche Annahmen oder gar Outings können sehr schmerzhaft für queere Menschen sein und in einem Buch, das genau solche falschen Annahmen aufarbeiten soll, genau dasselbe zu tun, finde ich nicht okay.

Klar, bei Michelangelo und Tschaikowski weiß man es vielleicht einfach nicht und nachfragen kann man auch nicht mehr. Hinweise auf eventuelles nicht-cis-hetero-Sein sollten auch nicht totgeschwiegen werden. Wenn die Spekulationen um diese Menschen aber unbedingt im Rahmen von Queer Heroes erwähnt werden sollen, dann hätte ich mir dazu zumindest ein eigenes Kapitel gewünscht („honorable mentions“ vielleicht) und hätte Personen, die möglicherweise eventuell vielleicht queer sind oder waren, nicht reflexionslos zwischen die Menschen gemischt, deren Identität bestätigt ist.

Vielleicht liege ich hiermit total daneben. In dem Fall würde ich mich freuen, wenn sich jemand die Mühe machen würde, mich zu korrigieren und mir die Möglichkeit zu geben, zu lernen. Wie gesagt ist das hier keine Own-Voice-Rezension, sondern ein Blick von außen. Und meinem Blick von außen gefällt diese Vermischung von „wir wissen“ und „es gibt Hinweise, die uns vermuten lassen“ gar nicht.

Queer Heroes: Rückansicht. Dargestellt ist der Klappentext sowie Frida Kahlo und Freddie Mercury.
Queer Heroes: Rückansicht

Insgesamt finde ich das Format etwas unhandlich. Das Buch ist etwa 1 cm dick, 24 cm breit und 28 cm hoch, wenn man sich das Cover anschaut. Es hat eher ein Bilderbuchformat, was ich bei Teenagern als Zielgruppe nicht so richtig angemessen finde. Für 64 Seiten 20 Euro zu verlangen finde ich außerdem ganz schön happig, besonders, wenn man die Zielgruppe im Hinterkopf behält.
Und so bunt und vielfältig die Illustrationen auch sind: meinen Geschmack treffen sie nicht. Viele Bilder wirken fast wie Karikaturen, was wahrscheinlich nicht die Absicht der Künstlerin war. Schließlich haben Karikaturen eine gewisse negative Konnotation, und Negativität ist die eine Sache, die in diesem Buch ganz bestimmt nicht ausgedrückt werden soll.

Das Glossar am Ende fand ich super, auch das Stichwortverzeichnis und die Liste mit weiteren Quellen. So gibt Queer Heroes eine Einstiegshilfe in die Thematik und zeigt weitere Wege, sich zu informieren.

Positiv

  • individuelle Illustrationen
  • bunte Auswahl an Identitäten
  • grundsätzlicher Ansatz und Motivation
  • Glossar

Negativ

  • unreflektierte Mischung von Fakten und „eventuell“-Fällen
  • nicht mein Stil
  • Format: ziemlich unhandlich
  • ziemlich hoher Preis

Fazit

Zusammenfassend finde ich Queer Heroes im Ansatz super, die Umsetzung lässt meiner Meinung aber zu Wünschen übrig.

Vielen Dank für das Rezensionsexemplar an das Bloggerportal und den Prestel Verlag.


Bibliografische Daten

Titel: Queer Heroes. 53 LGBTQ-Held*innen von Sappho bis Freddie Mercury und Ellen DeGeneres
Reihe:

Autorin:
Arabelle Sicardi
Illustratorin: Sarah Tanat-Jones
Übersetzung:
Petra Koob-Pawis
Genre/Zielgruppe:
Teenager, Identität, Diversität

Preis: 20,00 € (genialokal.de)
ISBN:
978-3-7913-7437-6
Format:
Hardcover
Umfang:
64 Seiten
Erschienen:
18.05.2020
Verlag: Prestel Junior Verlag
Besonderheit:
53 farbige Illustrationen


Weitere Meinungen zu Queer Heroes:

„Dieses Buch ist ein Anfang oder, besser gesagt, ein hinreichender Einsteig in die Thematik. Wer mit einem wachen Auge darauf schaut, wird sicherlich nicht umsonst dazu gegriffen haben.“

Caro von LiteraturTräumerei

„Meiner Meinung nach ein Must-Read! Es ist nicht nur inspirierend sich mit den Menschen im Buch zu befassen, sondern es macht auch Mut zu sich selbst und die eigenen Werte zu stehen.“

Elizzy von Read books and fall in love


Queer Heroes: Coveransicht mit leichten Glitzereffekten. Instagram-Format
Queer Heroes: Coveransicht

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