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[Studium] Bleisatz 3

Woche 3, oder:
„Übung macht den Meister“ und der Ernst des Lebens

In der dritten Sitzung haben wir noch mal alles wiederholt, was bisher in unsere Köpfchen gedrungen war und unseren Dozenten mit Fragen bombardiert: Wie heißen die Dinger, die den Zeilenabstand bilden (den Namen habe ich schon wieder vergessen) und wie funktioniert deren Ablagesystem? Kann man auch Bilder im Bleisatzverfahren drucken (kann man) und wie ist das mit Tabellen (geht auch, ist aber sehr kompliziert und wir hatten nicht die Zeit, das selbst auszuprobieren)?


Dann ging es ans Üben. Nicht nur haben wir untereinander einen kleinen Wettstreit angefangen, wer am schnellsten und fehlerfrei setzen kann, und damit unser Selbstbewusstsein bezüglich des Setzkastens gestärkt, sondern auch das Ausbinden geübt, die Berechnung der Zwischenräume, die richtige Handhabung der Werkzeuge und Materialien. Die erste Hälfte dieser Sitzung kann man eigentlich zusammenfassen mit „Die Übung macht den Meister“, denn wir haben alles noch mal durchgekaut und wiederholt. So, wie ich hier gerade beim Schreiben alles wiederhole. Damit ihr versteht, wie langweilig das war. Aber gleichzeitig irgendwie interessant, da wir jeder irgendetwas dessen vergessen hatten, was von großer Bedeutung war. Üben, üben, üben.
Und dann haben wir das erste Mal gesehen, wie die Maschine funktioniert, mit der wir in der vierten und letzten Sitzung unser eigenes Zertifikat drucken würden. Wow. Das war spannend. Ich wünsche mir so eine Maschine zu Weihnachten – und den Keller gleich mit dazu, damit ich genug Platz habe. Vielleicht versteht ihr diese Faszination, vielleicht nicht. Ich jedenfalls finde es immer großartig, wenn ich verstehe, wie etwas funktioniert. Wenn dieses Etwas dann noch eine Maschine in der geschätzten Größe von einem Billardtisch hat, Krach macht und etwas handfestes produziert, ist das fast zu viel. Selbst auf die entsprechenden Knöpfe zu drücken wäre das einzige, dass dieses Verständnis noch toppen könnte. Und wisst ihr was? Das durften wir auch! Aber erst in der letzten Sitzung. Deshalb höre ich für heute mit dem Schwärmen auf und berichte vom zweiten Teil der Sitzung.

Denn in diesem Moment begann der Ernst des Lebens für uns – zumindest gefühlt. Die Prüfung in dieser Veranstaltung bestand nämlich darin, unser eigenes Zertifikat zu setzen und zu drucken. Dafür gibt es natürlich einen Pi-mal-Daumen-vorgeschriebenen Text. Solche Dinge wie Namen der Studierenden, des Dozenten und der Uni, die Bezeichnung des Instituts und des Kurses sowie das Datum sollten ja schon irgendwo auftauchen. Deshalb sind wir zuerst die Zertifikate der vergangenen Jahre durchgegangen und haben die zu ändernden Faktoren markiert. Nicht nur Namen und Daten stimmten ja nun nicht mehr, sondern auch das Institut hat einen neuen Namen verpasst bekommen. Wir sind jetzt nicht mehr das „Institut für Buchwissenschaft“, sondern die „Abteilung Buchwissenschaft des Gutenberg-Instituts für Weltliteratur und schriftorientierte Medien“. Dass diese Änderung die Zeilenanzahl durcheinanderbringt und damit irgendwie auch alles andere, ist wohl eindeutig. Die verschiedenen Texte mussten außerdem in verschiedenen Schriftgrößen gesetzt werden. Der Name des Studierenden, auf den das Zertifikat ausgestellt wird, ist das wichtigste, also muss er hervorstechen. Der Name des Dozenten, seine Titel und die Angabe des Instituts, der Inhalt des Kurses, die Daten etc. werden in „normaler“ Schrift, also in Cicero (12 Punkt) geschrieben. Das sind also schon mal zwei verschiedene Setzkästen, aus denen man sich bedienen muss. Wir haben also parallel an verschiedenen Textabschnitten gearbeitet, jeder setzt eine Zeile, die werden hinterher auf dem Schiff sortiert und aneinandergefügt. Das hat mehr Zeit in Anspruch genommen, als wir erwartet hatten, denn am Ende haben wir echt im Akkord gearbeitet, ohne uns groß zu unterhalten, was vorher der Fall war. Wir waren hochkonzentriert. Je einer hat seinen Namen gesetzt, während die anderen drei an den drei Kästen für die Futura 12-P. standen. Der Dozent ist uns dabei aus dem Weg gegangen und hat uns machen lassen, stand aber für Fragen zur Verfügung. Gerade beim Ausschließen (also beim Puzzlen der Zwischenräume) war das für mich eine große Hilfe. Ich bekam zwar langsam ein Gefühl dafür, wie viele Punkte noch bis zur Vervollständigung der Zeile nötig waren, doch auf den ersten Blick konnte ich das immer noch nicht sehen (und kann es noch immer nicht).
Dann kommt noch das Problem mit den Zwischenräumen. Die einzelnen Textblöcke erscheinen auf solchen Dokumenten ja immer in gewissen Abständen, damit dem Namen die erwünschte Aufmerksamkeit zukommt oder genug Platz für eine Unterschrift bleibt. Sowas muss akkurat berechnet und ausgemessen werden. Das ist wieder irre Kopfarbeit und beinhaltet die oben bereits erwähnten Zwischenraum-Blöcke, deren Namen ich vergessen habe. Solche Blöcke gibt es in verschiedenen Längen und Breiten, also sind die Zeilenlängen genau so anpassbar wie die Zeilenzwischenräume, sowie in verschiedenen Materialien. Aus Blei, Aluminium oder auch mittlerweile aus Plastik. Letztere sind aber „für die Katz“ (Zitat Dozent), da sie sich abnutzen und dann nichts mehr taugen. Außerdem sind diese Blöcke hohl, um Gewicht und Material einzusparen. Das Rechnen hat uns übrigens der Dozent abgenommen, da uns langsam die Zeit ausging. Und zack, zack, zack – fertig war unser Zertifikat. Na ja, jedenfalls der Satz dafür.

Die dritte Sitzung endete also damit, dass der Satz bereit zum Drucken auf dem Schiff lag und darauf wartete, dass wir in der vierten Sitzung loslegten. Zum Abschluss haben wir noch ein bisschen aufgeräumt, dann war die Zeit um.
In dieser Woche hatte ich also nicht viel neues gelernt, sondern das Gelernte wiederholt und vertieft. Ich hatte es bereits erwähnt, aber möchte das noch mal betonen: Lernen fällt mir so viel einfacher, wenn man eine tatsächliche Anwendung für das Wissen hat. Wenn wir nicht praktisch an die Buchstaben und den Ausschluss herangehen hätten müssen, hätte ich euch letztes Mal kaum etwas über die Schriftgrößen erzählen können; dasselbe gilt für das Ausbinden: Wenn wir es nicht selbst hätten machen müssen, könnte ich jetzt kaum darüber sprechen, wie das funktioniert. Das beste Beispiel sind aber die verflixten Zeilenabstand-Dinger: Wir mussten nicht selbst die Abstände berechnen und die entsprechenden Blöcke aus dem Regal suchen, also musste ich mir den Namen nicht merken. Ihr merkt, worauf ich hinaus will? Wiederholung und Praxis sind wichtig! (Bäm, jetzt habt ihr etwas für’s Leben gelernt!)

In der vierten Sitzung ging es dann ans Drucken und an die Maschine. Mein kleines Entdeckerherz schlägt höher, wenn ich nur daran denke… Aber ihr müsst noch bis nächsten Sonntag warten, dann könnt ihr euch mir in meiner Begeisterung anschließen. Bis dahin bin ich gespannt auf eure Rückmeldungen!


Jetzt seid ihr wieder an der Reihe!

Wie gefällt euch dieser Exkurs in meinen Uni-Alltag?
Möchtet ihr mehr / weniger darüber lesen?
Habt ihr ein „Übung macht den Meister“-Erlebnis, das ihr mit uns teilen möchtet?

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  1. Hi du
    Da hast du ja einen tollen Studiengang. Eine Freundin lernte einst schriftsetzerin. Hätte nie gedacht wie explizit das sein kann.
    Sei lieb gegrüßt
    Nicole

    • Hey,
      ja, den habe ich tatsächlich. Buchwissenschaft ist klasse. 🙂
      Dir und deiner Freundin auch liebe Grüße! Habe noch einen schönen vierten Advent!

  2. Liebe Henrike,

    Als Literaturwissenschaftlerin finde ich den Einblick in dein Studium sehr interessant und freue mich, wenn es noch mehr davon gibt.

    Lg

    • Hey! 🙂
      Danke für die Rückmeldung – dann werde ich mal schauen, was es noch lohnenswertes zu erzählen gibt. Liebe Grüße!

  3. Guten Morgen,
    ich finde es mega spannend! Danke, dass du uns daran teilhaben lässt.
    LG
    Yvonne

    • Hey,
      na, das freut mich doch. Sehr gern geschehen! LG, Henrike

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