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[Rezension] Die Eiskriegerin. Die Dominium-Saga 1 ~ Licia Troisi

Licia Troisi | Die Eiskriegerin. Die Dominium-Saga 1 | übersetzt von Bruno Genzler | Originaltitel: Le Lame di Myra – La Saga del Dominio | Verlag: Heyne | ET 13.11.2017 | 496 Seiten | TB: 12,99 € / eBook: 9,99 € | ISBN 978-3-453-31899-1 | Leseprobe | REX


An ihrem achten Geburtstag endet die Kindheit der kleinen Myra auf tragische Weise: Ihr Zuhause wird von vermummten Männern überfallen, ihr über alles geliebter Adoptivvater Fadi, wird getötet, Myra selbst gelingt in letzter Sekunde die Flucht in die eisigen Wälder Biaswads im Süden des Tränenreiches. Zehn Jahre später ist aus dem kleinen Mädchen eine starke Kriegerin geworden, die mit ihren beiden brennenden Klingen an der Seite des mächtigen Acrab für Frieden und Freiheit kämpft. Doch dann wird Myra von ihrer Vergangenheit eingeholt. Warum musste Fadi wirklich sterben? Und was weiß Acrab über den Tod ihres Vaters? Auf der Suche nach der Wahrheit stößt Myra auf Geheimnisse, die das ganze Reich in seinen Grundfesten erschüttern könnten … Quelle


Ein kurzer Hinweis vorweg: Ich werde ab heute am Ende jeder Rezension eine auf das Buch, den/die AutorIn oder ein verwandtes Thema bezogene Frage stellen, die zur Diskussion in den Kommentaren anregen soll: Die „question of the day“, kurz QOTD. Ich würde mich riesig freuen, wenn so die Interaktivität etwas angekurbelt wird.

Soll heißen: Ich erwarte Antworten! 🙂 

Rezension

Licia Troisi kenne ich bereits aus Reihen wie Die DrachenkriegerinDie Schattenkriegerin oder Die Feuerkriegerin und an den Titeln lässt sich unschwer erkennen, dass meist eine Frau oder ein Mädchen im Mittelpunkt der Handlung steht – und dass sie gut auf sich selbst aufpassen kann, denn sonst würde man den Begriff „Kriegerin“ ja wohl kaum verwenden. Mit Die Eiskriegerin, oder im italienischen Original Le Lame Di Myra, also Die Klingen von Myra, steigt Troisi in die neue Dominium-Saga ein. Diese Reihe ist nach dem Kontinent benannt worden, auf dem sich unsere Helden und Bösewichte aufhalten. Eine Karte des Dominiums ist vorn im Buch eingezeichnet und erleichtert die Orientierung während des Lesens etwas. Allerdings hätte sie für meinen Geschmack noch etwas detailreicher sein können – manche für mich wichtige Orte sind gar nicht genauer verzeichnet.

Die Eiskriegerin dreht sich um Myra, eine junge Frau, die als Mädchen mit ansehen musste, wie ihr Vater brutal ermordet wurde. Ihr Leben sah seitdem selten schön aus – Sklaverei eingeschlossen -, aber nun ist sie als erfolgreiche Schwertkämpferin an der Seite eines großen Heerführers unterwegs, um die Zukunft des Dominiums zu verändern. Dann erfährt sie, dass der Grund der Ermordung ihres Vaters doch nicht ganz so eindeutig zu sein scheint, wie sie es jahrelang angenommen hatte. Myra macht sich auf, um endlich die Wahrheit zu erfahren, trifft dabei nicht nur auf Überraschungen, sondern auch auf unerwartete – und anfangs auch unerwünschte – Weggefährten und entdeckt ein ganz neues Schicksal.

Myra ist einerseits eine typische Fantasy-Heldin: eine starke Kriegerin, im Kampf ausgebildet und mit einem Ziel vor Augen, das es zu verfolgen gilt, außerdem scheint sie etwas Besonderes zu sein, wodurch sie sich von der Masse abhebt. Andererseits ist sie ein Mensch wie du und ich. Myra zweifelt und ist sich unsicher, wie sie mit Informationen umgehen oder welchen Weg sie einschlagen soll. Welche Situationen erlauben es, über ihre Moralvorstellungen hinweg zu sehen? Es fällt ihr schwer, ihren Weg zu gehen und wie jeder junge Mensch hat auch sie ihre schwachen Momente. Sie hat außerdem als eine Art Selbstschutz gelernt, Menschen auf Distanz zu halten – Ausnahmen bestätigen die Regel – und keinerlei Übung im Prinzip „Freundschaft“, weshalb sie Fremden und auch Bekannten gegenüber oft eiskalt rüberkommt (See what I did there?). Myra ist alles andere als perfekt, aber bereit und in der Lage, zu lernen. Das macht für mich einen Großteil ihres zweifelhaften Charmes aus. Ihr Charakter entwickelt sich weiter und ist am Ende dieses ersten Bandes kaum noch mit der Person in Einklang zu bringen, die wir zu Beginn kennen lernen.

Das gleiche trifft auch auf die meisten Nebencharaktere zu. Anstatt mit reinen Stereotypen um sich zu werfen, hat die Autorin jeder wichtigen Figur mehrere Schichten verpasst: Je länger man eine Figur begleitet, desto mehr Schichten lassen sich abpellen und desto mehr Eigenschaften werden deutlich, desto eher lässt sich eine Entwicklung erkennen. Gleichzeitig sind die Figuren auch stabil, in Ermangelung eines besseren Wortes. Sie erfüllen im Rahmen der Geschichte einen bestimmten Zweck und sind in ihrer Entwicklung nicht ZU wankelmütig, aber eben auch nicht nur stumpfe Stereotypen. Es fällt mir schwer, hierfür die richtigen Worte zu finden; vermutlich müsst ihr das Buch einfach selbst lesen, um zu verstehen, was genau ich meine. Oder ihr kennt Troisis Stil schon, denn dieselben Merkmale lassen sich auch in ihren älteren Büchern finden.

Apropos Stil: Licia Troisi ist bekannt für ihr detailliertes Worldbuilding. Auch diese Medaille hat zwei Seiten, wie Myras Charakter. Einerseits sind die Beschreibungen der Welt, in der wir uns aufhalten, toll geschrieben und sehr bildlich formuliert – ich hatte beim Lesen ständig exakte Bilder vor Augen und mein Kopfkino lief auf Hochtouren: großartig! – und auch zwingend notwendig, um das Dominium und seine Politik und Gesellschaft, die eine nicht unwesentliche Rolle spielen, verstehen zu können. Andererseits sind diese Beschreibungen und Erklärungen an einigen Stellen schlicht zu lang, weshalb trotz des ständig präsenten roten Fadens der Spannungsbogen beeinträchtigt und das Tempo merklich gedrosselt wurde. Auch das hat Vor- und Nachteile. (Ihr merkt schon, ich bin bei diesem Aspekt in meiner Meinung ziemlich zwiegespalten.) Es ist beim Lesen durchaus etwas lästig, immer wieder ausschweifende Landschaftsbeschreibungen und Erklärungen, warum eine bestimmte Handlung in der Politik wie ausgeführt werden konnte, serviert zu bekommen. (Wobei ich hier der Autorin hoch anrechne, dass es kaum Wiederholungen gab und wenn doch, dann nur, sofern die erste Erwähnung einer Gegebenheit schon viele Kapitel zurück lag.) Ich würde sagen, mit 30 Seiten weniger hätte man die Durchhänger vermeiden können.

Diese langen Worldbuilding-Momente sorgten aber auch dafür, dass ich mir die Zeit genommen habe, sie zu würdigen. Die Geschichte, so spannend und aufreibend sie auch stellenweise sein mochte, wurde so entschleunigt. Das habe ich sehr entspannend empfunden. Normalerweise lese ich Romane in einem Rutsch, an einem, maximal zwei Tagen, je nach Seitenzahl und Stimmung. Die Eiskriegerin hat für gut zwei Wochen vorgehalten (auch, weil die Weihnachtstage und damit einige Familienangelegenheiten dazwischen kamen), weil ich einfach langsamer gelesen habe. Ich habe nicht nur gelesen, um schnell in der Handlung voran zu kommen, um möglichst rasch all den Rätseln auf die Spur zu kommen, die die Geschichte stellt, sondern den Text selbst wahrgenommen, die Worte, die Welt. Das ist mir schon recht lange nicht mehr passiert. Nicht, weil ich keine guten Bücher gelesen hätte, sondern eher, weil viele der Romane auf meinem „Speiseplan“ davon leben, mit hohem Tempo und viel Action die Leser bei Laune zu halten – Dystopien, New Adult, Urban Fantasy. Die Eiskriegerin würde ich meinem Gefühl nach in der High Fantasy einordnen: Auch Tolkiens Werke oder Markus Heitz‘ Die Zwerge hatten diese entschleunigende Wirkung auf mich.

Ein weiteres Merkmal des Schreibstils sind die vielen Zeitsprünge, mit denen Troisi Myras Vergangenheit Stück für Stück aufrollt. Zuerst war ich verwirrt, warum an genau dieser Stelle so wichtig ist, was Myra zu diesem anderen bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit passiert ist. Das wurde aber jeweils schnell deutlich. Die Sequenzen aus der Vergangenheit sind optisch klar erkennbar, weshalb es da zu keinen Verwechslungen kommen kann. Ich finde es extrem gelungen, wie sich so ein Rätsel nach dem anderen von selbst aufklärt. Wir Leser werden eine ganze Weile über die verschiedensten Dinge im Dunkeln gelassen und erfahren so nach und nach gewisse Hintergründe, die wie Puzzlestücke irgendwann ein ganzes Bild ergeben. Das ist eine tolle Art, die Geschichte der Eiskriegerin zu erzählen, wenn ihr mich fragt!

Noch ein dicker Pluspunkt sind die Wendungen, die in 90 Prozent der Fälle für mich unerwartet kamen. Besonders rückblickend bin ich schwer beeindruckt, sowohl von der Kunstfertigkeit der Autorin als auch von meinen eigenen Scheuklappen: Viele Dinge wurden schon so früh und dann immer wieder angedeutet, während es mir erst in dem Moment klar wurde, den die Autorin für die jeweilige Enthüllung vorgesehen hat. Ich bin einfach in die Fallen getappt, in die ich treten sollte, und habe erst kurz vor dem finalen Plottwist, der gleichzeitig auch der Cliffhanger vor dem nächsten Band ist, vermutet, was passieren könnte. Schon allein hierfür LIEBE ich dieses Buch und seinen tollen Stil.

Oh. Eins noch: Es gibt Magie. UND DRACHEN! Wenn all meine Schwärmerei bisher noch nicht ausreichte, um euch zu überzeugen, Die Eiskriegerin zu lesen, dann doch bestimmt dieses kleine Detail. 😉

Licia Troisi hat mit Die Eiskriegerin wieder einmal eine junge Frau auf die Reise ihrer Bestimmung geschickt, ihren Weg mit Stolpersteinen und Hürden bestückt und diese Geschichte kunstvoll verpackt.
Die entschleunigte Lektüre unterhält mit detailreichem Worldbuilding und überzeugt durch Charaktere, die über sich hinauswachsen. Ich freue mich schon auf Band 2 und vergebe ohne Zweifel 5 von 5 Sternen!
(Am liebsten noch mit Sternchen, aber, na ja, es sind ja schon Sterne …)

5/5


Reihenübersicht

Die Eiskriegerin
Originaltitel: Il fuoco di Acrab (dt. ET unbekannt)


Weitere Meinungen

„Zwar gab es gerade bei den Kampfszenen die ein oder andere Ungenauigkeit, doch dank der authentischen Protagonistin, einer tollen Gruppendynamik und der interessanten Handlung, konnte mich das Buch wunderbar unterhalten.“
Miss PageTurner
„Nach anfänglichen Schwierigkeiten entwickelte sich die Geschichte für mich zu einem interessanten und spannenden Abenteuer.“
365 Seiten

Wenn auch Du eine Rezension zu diesem Buch geschrieben hast, schicke mir den Link einfach als Kommentar, E-Mail, auf Twitter, Instagram oder Facebook und ich füge ihn gern dieser Liste hinzu!


QOTD: Worldbuilding

(Quelle: Wikipedia. Was mir besonders gefällt und mich zum Schmunzeln gebracht hat: „Not to be confused with Terraforming, […].“ 😉 )

Wie denkt ihr über das Gestalten von Welten in Büchern? Wollt ihr lieber viele Details lesen oder reicht eine grobe Beschreibung? Ist es euch wichtig, die Welt und ihre Politik ganz genau zu verstehen? Ist es okay, wenn alles etwas mysteriös bleibt?

Welche Bücher sind euch besonders positiv oder negativ bezüglich des Worldbuildings in Erinnerung geblieben und warum?

Das Buch Wonderlands, herausgegeben von Laura Miller, befasst sich übrigens mit jeder Menge literarischen Welten!

Ich bin sehr gespannt auf eure Gedanken zu diesem Thema und freue mich auf eure Kommentare!


© Henrike Renken für WatchedStuff – Februar 2018

15 Kommentare

  1. Hey!
    Danke für den Tipp, ich hatte das Buch gar nicht auf dem Schirm.
    Dein Fazit macht neugierig und somit wandert es auf die Liste.

    Ich finde es toll, wenn Autoren sich viele Gedanken zum Worldbuilding machen.
    Diesbezüglich hat mir Requia von Olivia Mae richtig gut gefallen, aber auch Nevernight von Jay Kristoff. Ich muss nicht immer jedes Detail verstehen, aber einen Überblick zu haben ist schon gut.

    Liebe Grüße,
    Nicci

    • Hey,
      gern geschehen, dazu bin ich hier. 🙂

      Von Nevernight habe ich SO VIEL gehört in den letzten Monaten und es immer noch nicht in meinem Regal stehen – Requia dagegen sagt mir gerade gar nichts. Worum geht es da?

      Liebe Grüße,
      Henrike

    • Das klingt gar nicht mal so schlecht. Zack, auf meine Liste gewandert!

    • Ich hab eben erst gedacht, Huch, Online-RPG? 😀 Stimmt, das sieht echt gut aus!

  2. karin

    Hallo und guten Tag, Henrike

    schön….das Du jetzt Deinen Rezis mit der Frage noch einen extra Kick nun gibst.

    Ich finde, gerade im Fantasy-Bereich eine Rahmenhandlung….eigene Welt, dem Leser vorzustellen sehr, sehr wichtig. Denn ich will richtig in die Figur/Figuren ab/eintauchen und das geht finde ich, auch nur mit einer, eigenen Welt.

    LG..Karin…

  3. Moin,

    ich bin über das #litnetzwerk auf deinen schönen Blog gestoßen und ich muss sagen, es gefällt mir richtig gut hier!

    Das Buchklingt cool – hatte ich nicht auf dem Schrim! Danke!

    Ich wünsche Dir noch einen wunderschönen Sonntag und morgen einen guten Wochenstart!

    Herzliche Grüße von meinem Lieblingsleseplatz,
    Verena

    • Moin zurück!

      Ist das schön, so norddeutsch gegrüßt zu werden, das hatte ich echt vermisst! 🙂 Und danke auch für dein Lob. Schön, dass es dir hier gefällt. Vielleicht magst du mich ja öfter mal besuchen? 😉

      Die Eiskriegerin ist ein tolles Buch. Du wirst sicher deine Freude damit haben.

      Auch dir ein schönes Restwochenende und liebe Grüße,
      Henrike

  4. Hallo,

    ich bin im Ramen des Litnetzwerks auf diese wunderbare Rezension gestoßen.
    Als Jugendliche habe ich die Bücher aus den „Drachenkämpferin“ und „Schattenkämpferin“ Reihen verschlungen und beide Reihen mehrmals gelesen. Danach habe ich Licia Troisis Bücher leider irgendwie aus den Augen verloren und nichts mehr von ihr gelesen.
    Dieses Buch klingt sehr gut genau das richtige um wieder mit ihren Büchern anzufangen. Es wandert sofort auf meine (ohnehin schon lange) Wunschliste.
    Nun zu deiner Frage: Ich bevorzuge Bücher bei denen ich so viel wie möglich über die Welt erfahre, vor allem Infos über Geschichte und Politik interessieren mich. Ich komme auch mit Büchern klar, bei denen etwas weniger Infos gegeben werden, solange es ausreicht um das Buch zu verstehen.

    Liebe Grüße
    Elisa

    • Hallo Elisa,

      wie schön, dass du vorbeischaust! Ich muss gleich mal weiter stöbern, da ich dieses Wochenende eindeutig noch nicht genug Zeit mit dem #litnetzwerk verbracht habe.
      Mir ging es auch so: irgendwie kam von Troisi nichts mehr und ich wusste im ersten Moment, als ich dieses Buch sah, kaum mehr etwas mit dem Namen anzufangen. Ich finde Die Eiskriegerin sogar fast besser als Die Drachenkämpferin, kann dir also wirklich nur empfehlen, das Buch zu lesen.

      Du bist also ein detailorientierter Leser. 🙂 Ich finde es besonders toll, wenn – ich möchte sie nicht unbedingt Easter-Eggs nennen, aber – eben so kleine Feinheiten eingearbeitet sind, die einen schmunzeln lassen, wenn man sie denn entdeckt. Zu Licia Troisi fällt mir spontan nichts ein, aber bei Jennifer L. Armentrout zum Beispiel gibt es öfter mal Anspielungen auf Supernatural, bei Jennifer Estep auf ihre jeweils anderen Bücher. Weißt du, was ich meine?

      Liebe Grüße und danke für deine lieben Worte,
      Henrike

      PS: Wessen Wunschliste ist denn NICHT zu lang? 😉

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