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Ein Tag auf der Frankfurter Buchmesse 2022: Mein persönlicher Rückblick | #FBM22

Dieses Jahr habe ich die Frankfurter Buchmesse 2022 nach 2 Jahren Pause erstmals wieder besucht. Tatsächlich bin ich nicht sicher, ob ich mich genauso entschieden hätte, wenn meine Kolleg*innen nicht darauf bestanden hätten, als Team durch die Hallen zu streifen und ein paar Termine wahrzunehmen – immerhin befinden wir uns immer noch in einer gesundheitlich kritischen Phase! – aber für einen Vormittag unter der Woche habe ich zugesagt. Vorher habe ich mir extra noch den neuesten Impf-Booster abgeholt.

Leere Züge, breite Wege, kleinere Stände?

Ich war am Donnerstag vor Ort und habe als ersten Eindruck eine Überraschung erlebt: Bahn und U-Bahn waren überhaupt nicht so vollgestopft wie ich erwartet hatte! Vielleicht, weil die Messetickets kein ÖPNV-Ticket mehr beinhalten und die Leute mit dem Auto anfahren? Hoffentlich, weil viele immer noch Vorsicht walten lassen und deshalb gar nicht erst kommen? Oder konnte dieser Tag einfach nicht mit so attraktiven Veranstaltungen aufwarten wie andere Messetage? Ich weiß es nicht, aber ich habe mich darüber gefreut, dass es möglich war, in den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Messe-Stoßzeit morgens zwischen 8 und 9 Uhr Abstand zu anderen Menschen zu halten.

Auch in den Messehallen konnte man gut Abstand halten. Wohlgemerkt: ich war unter der Woche an einem Fachbesuchertag dort, deshalb kann ich nicht beurteilen, wie voll es am Wochenende sein wird, wenn Privatbesucher zur Messe kommen können. Sehr gut hat mir gefallen, wie breit die Wege zwischen den Ständen waren. Das wurde wohl aus dem letzten Jahr übernommen und ich hoffe sehr, dass es langfristig dabei bleibt! Rund um die gigantischen Stände von zum Beispiel Carlsen oder Penguin Random House (3.0 F91 bzw. 3.0 D21) waren die Wege extra breit, hatte ich den Eindruck. So konnte man Menschen super aus dem Weg gehen, auch, wenn es mal etwas mehr wurden.

Ich weiß nicht, ob das wegen der breiteren Wege nur mein Eindruck war oder es tatsächlich so ist: Die sonst oft sehr, sehr großen Stände sahen kleiner aus (die kleinen Boxen meine ich hier natürlich nicht). Dafür habe ich bei vielen Ständen mehr Sitzgelegenheiten gesehen als noch vor 2 Jahren. Auch etwas, das mir vorher so nie aufgefallen war, waren die Workstations, die separat am Hallenrand aufgebaut waren. Ich interpretiere das so, dass Verlage zusätzlich zu ihrem eigentlichen Stand eine dieser kleineren Stellflächen gemietet haben, um nicht am Stand selbst berufliche Gespräche über beispielsweise Lizenzverträge führen zu müssen. Durch die Randlage herrschte dort auch relative Ruhe, sodass intensive Unterhaltungen oder konzentriertes Arbeiten abseits vom Messetrubel möglich waren.

Masken? Pustekuchen!

Das Ausweichen auf den breiten Wegen war übrigens dringend nötig! Denn gefühlt haben 90 % der Besuchenden keine Maske getragen, weder im Außenbereich noch in den Hallen selbst. Ich habe mich mit den Abstandsmöglichkeiten, den Desinfektionsmittelspendern, die in relativ kurzen Abständen sowohl an den Ständen selbst als auch an anderen Stellen angebracht waren, und der leicht hör- und deutlich spürbaren intensiven Belüftung ziemlich sicher gefühlt.

Aber die vielen Menschen, die ohne Maske an den Messeständen arbeiteten oder auf den roten, schwarzen, grauen, blauen, gelben Teppichwegen unterwegs waren, die waren der Faktor, der mich hat unwohl fühlen lassen. Dabei hingen an sämtlichen Türen zwischen Drinnen und Draußen Hinweise: „Bitte tragen Sie im Gebäude eine Maske.“ oder so ähnlich der Wortlaut. Nicht zu übersehen – und meiner Meinung nach braucht es nach 2 Jahren Pandemie diesen Hinweis eigentlich nicht mehr, man sollte es inzwischen verstanden haben. Immerhin zeigt meine Corona-Warn-App heute morgen immer noch eine grüne Kachel an – hoffentlich bleibt das auch so!

[Edit 24.10.2022: Die Hessenschau formuliert es auch sehr treffend: „Die Pandemie spielte während der diesjährigen Frankfurter Buchmesse keine große Rolle. Beschränkungen gab es kaum, die Hallen waren voll, Masken trugen – außer der Cosplayer – nur wenige Menschen. Ob die Messe somit noch zum Superspreader-Event wird, bleibt abzuwarten.“]

Gastland Spanien

Ich bin vorher nie im sogenannten Gastlandpavillion gewesen, es interessierte mich meist einfach nicht. Am Donnerstag habe ich beim kleinen Rundgang mit meinen Kolleg*innen also erstmals herausgefunden, dass es gar kein Pavillion ist, sondern ein separat gelegener großer Raum. Dieser kann jedes Jahr vom jeweiligen Gastland völlig beliebig gestaltet werden, weshalb er immer anders aussieht. Dieses Jahr gab es zwei kreisrunde Bereiche, die mit von der Decke hängenden, leicht transparenten Stoffbahnen abgetrennt wurden. Darin gab es Lesungen oder Diskussionen, die teilweise mit Kameras übertragen oder zumindest aufgenommen wurden. (Das ist jedenfalls meine Interpretation, denn ich beherrsche die spanische Sprache nicht.)

Ein anderer Bereich, ebenso kreisrund aber mit stabileren Wänden abgetrennt, beinhaltete einen künstlichen Kirschbaum mit weißem Stamm und darum herum hängenden weißen Stoffbahnen, der mit abwechselnden Lichtarrangements beleuchtet wurde. Ganz ehrlich: hübsch anzusehen und ein schönes „instagrammable“ Fotomotiv ist das bestimmt, aber der Sinn davon hat sich mir nicht recht erschlossen. (Foto s. u.)

Etwas seitlich, vor einem langen, kurvigen Regal voller Bücher über Spanien (in verschiedenen Sprachen – mir sind deutsch, englisch, spanisch, koreanisch und chinesisch aufgefallen) gab es eine – nennen wir es mal interessante – Sitzgelegenheit (Foto s. u.). Mein erster Gedanke war: Das sieht aus wie eine ausgekippte Packung gigantischer saurer Würmer! Ihr wisst schon, diese Gummiwürmer, die eigentlich süß schmecken, aber mit saurem Pulver beschichtet sind. Nur war einer dieser Würmer eben ca. 40 cm dick und wirklich, wirklich bequem. Ich habe auf der ganzen Frankfurter Buchmesse 2022 keine bequemere Sitzgelegenheit gefunden! Auch hier gilt: keine Ahnung, warum das zur Buchmesse passt, aber dieser bunte Haufen „Würmer“ hat mir besser gefallen als der Baum.

Ansonsten waren im ganzen Raum verteilt kleine Stationen, die zum Beispiel mit Übersetzung, Dichtung oder Illustration zu tun hatten. Was mir positiv aufgefallen war: Die Beschriftungen waren mehrsprachig – und in der deutschen Version hieß es konsequent „Die Illustratorin“ oder „Die Übersetzerin“. Wie ich in diesem Rückblick schon so häufig geschrieben habe: ich weiß nicht warum das so war, wieso man sich dafür entschieden hat, aber ich fand’s super!

Eindrücke der Frankfurter Buchmesse 2022. Links: Sonnenaufgang auf der Hinfahrt, zwischen Häusern, über der Straße. Mitte: Sitzgelegenheiten im Gastlandpavillion. Rechts: Künstlicher Kirschbaum im Gastlandpavillion.
Schnappschüsse vor- und auf der Messe: Sonnenaufgang und Gastland Spanien.

Wie lesen Menschen mit Sehbehinderung?

An einer kleinen Station in der hintersten Ecke sind wir länger hängen geblieben. Sie war – neben den Würmern, die immer cooler werden, je länger ich über sie nachdenke – mein Highlight im Gastlandpavillion! Dort ging es um Möglichkeiten, Menschen mit Sehbehinderung das Lesen und Lernen zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Neben einer Maschine, die selbst geschriebene Texte in Brailleschrift „ausgedruckt“ hat und einem Zettel zur Übersetzungs-/Lesehilfe für sehende Menschen wurden dort auch Bücher vorgestellt, die für verschiedene Zielgruppen gleichermaßen produziert wurden.

Als Beispiel Die kleine Raupe Nimmersatt in großem Ringbuch-Querformat mit großer Schrift und Brailleschrift, die Illustrationen des Bilderbuchs wurden auf unterschiedliche Weise fühlbar gemacht. An einer Stelle wurde UV-Tinte benutzt, sodass eine leicht raue Oberfläche entsteht, die sich je nach Farbe unterschiedlich anfühlt. Andere Bilder wurden mit einer Art Folie dargestellt, die sich aufblähen lässt (die Erklärung, wie genau das funktioniert, habe ich leider nicht mitbekommen), sodass sich das Bild richtig vom Untergrund abhebt. Diese Technik wurde zum Beispiel für die Raupe selbst genutzt, deren Körper-Abschnitte beim Tasten mit geschlossenen Augen deutlich erkennbar waren.

Der große bunte Schmetterling am Ende des Buches bekam dünne Flügeldecken aus Netzstoff, die über der Illustration lagen. Und die Löcher in den Früchten, durch die man im Original nur ganz dünne Kinderfinger stecken kann, waren in dieser Version groß genug, um eine kleine Raupe aus Filz oder Stoff durch die Seiten des Buches wandern zu lassen. So sieht Inklusion von Menschen mit Sehbehinderung beim Thema Lesen für mich aus! Ich sehe häufiger Bücher mit gedrucktem Text und Braille ODER Bücher mit Braille und haptischen Elementen, aber die Kombination, sodass man ein einziges Buch für mehrere Zielgruppen hat, die habe ich in dieser Form noch nicht gesehen.

Diese „aufblähbare“ Folie oder Kunststoffschicht wurde auch für Landkarten präsentiert, die man zum Beispiel im Erdkundeunterricht verwenden kann. So ist die Karte eben nicht nur ein plattes Papier, sondern die Berge und Täler zeichnen sich haptisch ab. Es sah ein bisschen aus wie der Prototyp eines Hologramms aus Science-Fiction-Filmen, nur eben in Farbe und mit zusätzlicher Brailleschrift. Und es war eine dünne Folie, genauso leicht wie Papier, und keine schwere topografische Holzplatte.

Toll war auch eine Maschine, die selbst gezeichnete Bildchen in nur wenigen Sekunden fühlbar gemacht hat: Der Untergrund ist auch hier eine speziell beschichtete Folie oder eine Art spezielles Papier. Die Maschine erhitzt dieses, wenn ich es richtig verstanden und das Gerät richtig analysiert habe. Und alles, was auf dem Papier/der Folie schwarz ist, bekommt eine Art Schaumstoffbeschichtung. Es fühlt sich jedenfalls ein bisschen so an wie beflockte T-Shirts. „Es poppt auf wie Popcorn“, war die Erklärung. So kann zum Beispiel im Biologieunterricht eine Zeichnung von einem anatomischen Herzen super schnell auch für Lernende mit Sehbehinderung zugänglich gemacht werden. Eine faszinierende Technik, die wir alle direkt ausprobieren mussten!

Meine Mitbringsel von der Frankfurter Buchmesse 2022

Ich habe wieder ein paar Verlagsprogramme mitgenommen, um mir zuhause einen besseren Überblick zu verschaffen, besonders von kleinen Verlagen. Beim Hessischen Gemeinschaftsstand (3.1 D106) habe ich neue Klebezettelchen für die nächste Lektüre gefunden, die endlich mal keine Neonfarben haben, bei KATAPULT (3.1 D71) gab es viele tolle Postkarten zum Mitnehmen und bei Mozaik Education (3.0 E47) wurde ich in eine kurze englische Unterhaltung über kleine, vielleicht sogar lokale Bildungsverlage verwickelt (Gibt es sowas in Deutschland überhaupt? Wenn ja, wen muss man fragen, um die zu finden? Scheinbar sind das Einhörner, denn auch nach längerer Überlegung fielen mir nur die großen Schulbuchverlage ein.).

Diese Firma stellt Touch-Bildschirme aus, auf denen wirklich gut gemachte, interaktive Animationen und Lehrinhalte zum Ausprobieren präsentiert wurden. Wir standen bestimmt 10 Minuten einfach nur da und haben unserer dinosaurierbegeisterten Kollegin über die Schulter geschaut, wie sie die Bewegungen der Knochen eines T-Rex beim Laufen verfolgt, herangezoomt und alle möglichen Funktionen des Programm ausprobiert hat. Man kann sich einen Aktivierungscode mitnehmen und zuhause 3 Monate lang ausprobieren, was die so können. Ich war vor Ort total fasziniert und werde meinen Code an den Lehrer in der Familie weitergeben – mal schauen, was er dazu sagt! (Nein, die sponsern diesen Artikel nicht! 🙂 Ich bin einfach nur begeistert.)

Bei allen Vor- und Nachteilen einer großangelegten Messe zu Pandemiezeiten nehme ich auch in diesem Jahr wieder viele Eindrücke mit. Es war schön, mal wieder auf der Messe zu sein. Es ist schön, bekannte Personen total nahbar ein paar Meter entfernt vorbeiziehen zu sehen – mir sind Denis Scheck und Marie Graßhoff aufgefallen -, weil sie eben auch nur Menschen sind. Es ist schön zu sehen, dass die Organisator*innen Maßnahmen wie die breiten Wege und Desinfektionsmittelspender ergriffen haben, um die Frankfurter Buchmesse 2022 an die Pandemie anzupassen.

Sehr lecker waren die Pommes, von denen eine Kollegin, die beim Messeaufbau mitgeholfen hatte, uns 5 Minuten nach der Begrüßung schon vorschwärmte. (Der Wagen steht zwischen Halle 3.0 und dem Gastlandpavillion im Innenhof, auf dem Weg von der/zur U-Bahn kommt man dran vorbei! 3,50 € pro Portion; Ketchup, Mayo und Senf sind gratis.) Besonders toll war es auch zu beobachten, wie eine andere Kollegin, die vorher zwar auf vielen anderen Messen, aber noch nie auf der Buchmesse war, mit großen Augen alles aufgesogen hat.

Weniger schön waren die fehlenden Masken, die mein Gefühl von Sicherheit wieder zunichte gemacht haben. Ich wäre gern mehr als Buchbloggerin und weniger als Teil meines Arbeits-Teams durch die Hallen gestreift, aber mir taten dann Mittags schon die Füße weh (Ich hatte eindeutig nicht die richtigen Schuhe an, dabei waren das schon meine bequemsten Sneaker! Daran muss ich bis zum nächsten Messebesuch arbeiten …) und es wurden mir einfach zu viele Menschen, sodass ich um 14:30 Uhr meine Jacke geholt und den Messebesuch in diesem Jahr beendet habe.

Das war mein Donnerstag auf der Frankfurter Buchmesse 2022. Ich hoffe, dass sich die gesundheitliche Situation bis zum nächsten Herbst endlich, endlich entspannt, sodass ich wieder mit einem besseren Gefühl an den Messebesuch und vielleicht sogar wieder an Blogger*innen-Veranstaltungen herangehen kann. Nicht, dass das die wichtigste Folge einer abebbenden Pandemie wäre, aber das wäre doch ein schöner Nebeneffekt – oder?

Hier findet ihr meine Berichte über andere Messebesuche und Events.

Wandbild in der U-Bahn-Station "Festhalle/Messe" in Frankfurt: ein riesiger Rabe, umgeben von Blumen. Das Wandbild ist in Grautönen gehalten und wahrscheinlich mit Spraydosen gemalt worden. Das Foto habe ich auf der Heimfahrt aufgenommen. Auf Wiedersehen, Frankfurter Buchmesse 2022!
Die U-Bahn-Station Festhalle/Messe kann sich übrigens auch sehen lassen!

Ein Kommentar

  1. Das war bestimmt ein ganz besonderes Erlebnis;)

    Liebstens

    Maja

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