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Rezension: Guy’s Girl | Emma Noyes

7 Minuten Lesezeit

Hui, der Standalone-Roman Guy’s Girl ist definitiv keine leichte Kost (pun not intended …)! Die vorangestellte Triggerwarnung zur Thematik Essstörungen ist definitiv berechtigt.

Worum geht es?

Zwei Menschen, deren innere Probleme sie daran hindern, sich wirklich aufeinander einzulassen: Die lebenslustig wirkende Ginny, die in die WG ihrer besten männlichen Freunde zieht, obwohl es in deren Gesellschaft ungleich schwerer ist, ihre Essstörung zu verbergen. Und Adrian, der seit dem frühen Tod seines Vaters ein Meister im Unterdrücken von Gefühlen ist. Schnell kommen die beiden sich näher. Doch mehrfach – nämlich immer dann, wenn es ernst zu werden verspricht zwischen den beiden – weist Adrian Ginny von sich…

Anhand dieses Klappentextes hatte ich nicht erwartet, dass Ginnys Anorexie und Bulimie dermaßen im Vordergrund stehen würden. Rückblickend finde ich diesen Aspekt aber extrem gut gemacht, da Betroffene eben auch jederzeit und überall von diesen Krankheiten verfolgt werden, egal, was gerade in ihrem Leben und Alltag passiert. Dass die Autorin aus eigener Erfahrung schreibt, habe ich an vielen Stellen gemerkt.

Es werden Details beschrieben und Worte gewählt, die sich aus außenstehender Perspektive wahrscheinlich kaum darstellen lassen würden. Ob auch die Übersetzung von Guy’s Girl mit einer own-voice-Perspektive angefertigt wurde, kann ich im Moment nicht beurteilen, es erscheint mir jedoch alles sehr authentisch – und damit auch bedrückend und stellenweise fast grenzwertig real. Manche ganz trocken beschriebenen Details (wie an einer Stelle die Farbe und Konsistenz von Erbrochenem) hätte ich nicht unbedingt gebraucht, sie tragen aber zu diesem besonderen Level an Realismus bei. Lesende sollen sich mit den beschriebenen Szenen in dem Moment auch nicht wohl fühlen, glaube ich.

Adrian ist mir bis zum Ende irgendwie fremd geblieben, obwohl Guy’s Girl intensive Einblicke in seine Beweggründe und Gedankengänge gewährt. Das ist Teil des Traumas, das er mit sich herumträgt, und damit ebenso real geschrieben und gut umgesetzt wie Ginnys Krankheiten. Trotzdem hätte ich mir mehr Facetten zu seinem Charakter gewünscht als nur den Wunsch, auf der Karriereleiter aufzusteigen (aber nicht in dem Job, in dem er zu lange fest hing) und die Sehnsucht nach Ginny und seiner Heimat Budapest. Viel mehr habe ich nicht über ihn erfahren.

Ich finde es spannend, dass der Titel Guy’s Girl lautet und keine Bezüge zur Trauma-Thematik herstellt. Dass der Freundeskreis aus Ginny und den vier Jungs (in dessen Zusammenhang übrigens viele spannende Fragen aufgeworfen werden wie „Können Männer und Frauen Freunde sein, ohne dass sich eine/r oder zwei verlieben?“ oder „Wo verlaufen die Grenzen zwischen Freundschaft und „Mehr“?“) mit dem Titel in den Vordergrund rückt und die Intensität, mit der die Krankheiten und langjährige Traumata beschrieben werden, beim Lesen geradezu aus dem Hinterhalt über mich herfiel, finde ich rückblickend ziemlich überraschend – aber, noch einmal, sehr realistisch.

Einige Absätze hatten einen zu deutlichen Bildungscharakter. Aus Ginnys Perspektive werden einzelne Elemente ihrer beiden Krankheiten beschrieben und erklärt. Symptome, psychische Begleiterscheinungen, fast schon wissenschaftliche Erläuterungen und Formulierungen. Manchmal kam es mir so vor, als hätte die Autorin beim Schreiben von Guy’s Girl ein Lehrbuch neben sich liegen gehabt, um auf Nummer Sicher zu gehen, dass sie bloß oft genug betont, dass Lesende Ginny bitte nicht nacheifern sollen, und dass es eben eine Krankheit ist und keine Modeerscheinung. Aus diesem Grund ist Guy’s Girl für mich auch absolut nicht für Jugendliche geeignet – der Nachahmungscharakter ist trotz aller Warnungen und beschriebener Konsequenzen einfach zu groß.

Diese zugegebenermaßen kurzen Abschnitte haben mich immer wieder etwas aus der Geschichte gerissen – es wirkte wie die kleinen Info-Kästen, die man am Seitenrand in Broschüren finden kann, und nicht wie die eigenen Worte der Figur, deren Art zu denken und zu sprechen ich ja über die vorherigen 200 Seiten schon gut kennen gelernt hatte.

Fazit

Es ist jetzt nicht ganz einen Tag her, dass ich Guy’s Girl beendet habe, und ich kann noch nicht richtig sagen, ob ich das Buch mag oder eher nicht mag. Ich hatte beim Lesen selten Spaß. Fest steht aber, dass es mich phasenweise richtig umgehauen hat, dass ich es handwerklich enorm gut umgesetzt finde und dass es mich bestimmt noch eine Weile begleiten wird.

Ich danke NetGalley und dem Verlag für das Rezensionsexemplar!

Autor*in: Emma Noyes
Übersetzung: Birgit Niehaus
Reihe:
Verlag: dtv
Gerne/Themen/Altersempfehlung: Liebe, Freundschaft, Essstörungen, Bulimie, Magersucht, Selbstfindung, Trauma-Verarbeitung, Beziehungsangst, kein Jugendbuch!

Preis: 4,99 € (kaufen auf genialokal.de)
ISBN: 978-3-423-44256-5
Erschienen: 01.11.2023
gelesenes Format: eBook, auch als Paperback erhältlich
Umfang: 400 Seiten

„“Guy’s Girl” ist sehr unangenehm zu lesen. Trotzdem rauscht man nur so durch die Seiten und hat das Buch wie im Flug gelesen. Am Ende bleibt es aber sehr neutral im Kopf – weder besonders gut, noch besonders schlecht. Was wohl vor allem daran liegt, dass der Schreibstil noch etwas berührender, emotionaler hätte sein können. Es ist definitiv ein interessantes und teilweise überraschend emotionales Buch, aber für mich kein Muss.“

„Ich habe stark mit Ginny mitgefühlt und gehofft, dass sie gesund wird. Sie wirkte auf mich wahnsinnig authentisch und sympathisch.  Auch nach dem Lesen musste ich noch oft über sie und ihre Geschichte nachdenken, die wahrscheinlich gar nicht mal so selten ist. Ich würde das Buch jedem empfehlen, der sich für Liebesgeschichten interessiert und den „schwerere“ Themen, wie eben Magersucht und Bulimie, nicht abschrecken. „Guy’s Girl“ wird mir definitiv in Erinnerung bleiben und ist eines meiner Jahreshighlights 2023.“

„Aber ich glaube, dass mir dieses Buch in gewisser Hinsicht die Augen geöffnet hat. Dieser Roman ist keine Liebesgeschichte im herkömmlichen Sinne, sondern eher eine Story, deren Protagonisten unter Essstörungen und Verlust- und Bindungsängsten leiden und auf der Suche nach sich selbst die große Liebe finden. Was mich persönlich berührt hat, war die platonische Liebe, Ginnys Freundschaft zu Clay und Tristan, oder auch ihre Beziehung zu ihrer Schwester.“

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Zu sehen ist das Cover des Buches Guy's Girl von Emma Noyes vor einem Hintergrund. Dieser zeigt ein stilisiertes Wohnzimmer mit einer Couch auf der linken Seite, hinter der ein von großen Pflanzen umrahmtes Fenster Licht hereinlässt, und einem Fernseher auf der rechten Seite. DIe Rückwand ist von einem Regal bedeckt und in der Mitte des Raumes steht ein kleiner Tisch. Die Farben sind hauptsächlich in orange, braun und Grüntönen gehalten. Insgesamt wirkt das Bild warm. Es wurde von der KI des Online-Grafiktools Canva generiert.
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