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Wonderlands | Laura Miller (Hrsg.) | Rezension

Ich liebe Fantasy- und Science-Fiction-Bücher. Ich liebe Fantasy- und Science-Fiction-Filme und -Serien. Die im Untertitel von Wonderlands genannten „fantastischen Welten“ faszinieren mich. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, als in meinem E-Mail-Postfach ein Newsletter von der Agentur Literaturtest einging, in dem das Buch Wonderlands beworben wurde. Ob ich eventuell Interesse an einem Rezensionsexemplar hätte? Na klar hatte ich Interesse! Im Untertitel und dem Beschreibungstext wurden bekannte Geschichten genannt, das Cover gab Aussicht auf Kartenmaterial (ich mag Karten, habe sogar eine Vorlesung zu Kartografie besucht, obwohl das mit meinem Studium rein gar nichts zu tun hat) und die Seitenanzahl ließ vermuten, dass dieses Buch nur so vor Worldbuilding strotzt.

Nun ja. Vielleicht hatte ich zu hohe Erwartungen, vielleicht hätte ich auch die Leseprobe vor meiner Zusage lesen sollen. So begeistert, wie ich vermutet hatte, bin ich von Wonderlands nämlich nicht.

Das Buch erzählt in chronologischer Reihenfolge von den enthaltenen Werken, wobei sich die Einordnung am Entstehungszeitpunkt der Geschichten orientiert. Die großen Kapitel heißen „Alte Mythen und Legenden bis 1700“, „Wissenschaft und Romantik 1701-1900“, „Das goldene Zeitalter der Fantasy 1901-1945“, „Neue Weltordnung 1946-1980“ und „Das Computerzeitalter 1981-heute“. Jede Geschichte bekommt dabei eine bis zwei Doppelseiten Raum, auf denen diverse Bilder untergebracht sind. Meist ist eine Abbildung des/der Autor:in dabei, das Cover der Originalausgabe oder bei den ganz alten Texten Fotos der handschriftlichen Manuskripte. Auch Gemälde und Illustrationen, die sich der beschriebenen Geschichte oder ihren Figuren widmen, finden ihren Platz. Dazu kommen durchaus informative Texte, in denen der Inhalt knapp umrissen und der/die Verfasser:in des Werks vorgestellt wird.

Die verschiedenen Autor:innen, die an Wonderlands mitgewirkt haben, die übrigens am Ende des Buches in einer Übersicht kurz vorgestellt werden, verdeutlichen in ihren Texten auch, warum die beschriebenen Werke relevant für die Geschichte und Entwicklung des Genres Fantastik – also Fantasy und Science Fiction – sind. Dadurch eignet sich Wonderlands sicher hervorragend als Nachschlagewerk für bedeutsame Werke der Fantastik-Literatur. Es erinnert mich deshalb in seinem Aufbau ein bisschen an 66 Bücher, von denen alle sagen, dass du sie gelesen haben musst von Alexandra Fischer-Hunold, das ich vor etwa drei Jahren gelesen und rezensiert habe. Nur, dass es bei Wonderlands einen thematischen Schwerpunkt gibt.

Wonderlands Hrsg Laura Miller Rezension Innen 1

Was mir bei all diesen Informationen aber zu kurz kam, war das Worldbuilding. Die Welten, die die jeweiligen Autor:innen erschufen, der Weltenbau, der diesem Buch seinen Namen gab – das ging in den Zusammenfassungen von Inhalt und Lebensgeschichte unter. Immerhin geht es doch um die Welten und nicht um die Figuren und Autor:innen, oder? Das steht doch im Titel! Und gerade diese Thematik bietet die Möglichkeit, Karten zu verwenden.

Tolkiens Der Herr der Ringe-Welt ist wohl eines der bekanntesten Beispiele aus Wonderlands, für das umfassendes Kartenmaterial existiert. Warum es dann nicht verwenden, wenn die Welt von Mittelerde im Fokus stehen soll? Stattdessen hat man eine Skizze von dem Turm von Isengard abgedruckt. Von 100 genannten Werken wurde nur für elf (!) davon Kartenmaterial eingebunden. Diese gehören zum Beispiel zu George R. R. Martins Game of Thrones, Ursula K. Le Guins Der Magier der Erdsee, C. S. Lewis‘ Die Chroniken von Narnia, Edwin A. Abbotts Flächenland und Robert Louis Stevensons Die Schatzinsel. Dabei sind das nicht immer Welt- oder Landkarten. Beim Flächenland ist es der Grundriss eines Hauses, bei der Schatzinsel wird die Schatzkarte dargestellt und nicht die ganze Welt.

Neben dem Titel ist auch der Untertitel etwas irreführend, beziehungsweise wird das Werk dem Untertitel ebenfalls nicht gerecht. Es werden viele moderne Namen genannt: J. K. Rowling, Stephen King, Haruki Murakami. Da aber die chronologische Entwicklung von fantastischen Welten dargestellt werden soll (jedenfalls vermute ich das, denn auf die Details der jeweiligen Welten wird ja nur sehr oberflächlich eingegangen), beginnt der Zeitstrahl bei dem Gilgamesch Epos um 1750 vor Chr. Wer sich also nicht für ältere, alte und sehr, sehr alte Texte interessiert, sondern eher auf aktuelle und moderne Welten hofft, wird mit einer Enttäuschung rechnen müssen.

Für mich liegt der Fokus von Wonderlands definitiv zu sehr auf der Entstehungsgeschichte der einzelnen Werke und auf dem „wer schreibt bei wem ab“. Ich hätte mir mehr Details – insbesondere in Form von Kartenmaterial – über die einzelnen Welten gewünscht.

Positiv

  • informative, kurze Texte zum jeweiligen Werk
  • nachvollziehbarer chronologischer Aufbau
  • gut als Nachschlagewerk zur Entwicklung der Science Fiction/Fantasy geeignet

Negativ

  • Cover ist irreführend: zu wenig Kartenmaterial
  • Untertitel ist irreführend: weniger moderne, mehr alte Werke
  • Es wird kaum über die Welt gesprochen: am Titel und Thema vorbei!

Fazit

Diese Sammlung von worldbuilding-Beispielen ist als Nachschlagewerk durchaus sehenswert: Kurze informative Texte vermitteln knapp den jeweiligen Inhalt und verdeutlichen, warum ein Werk wichtig für die Geschichte von Fantasy- und Science-Fiction-Texten ist. Dazu ist auch abwechslungsreiches Bildmaterial enthalten. Die Texte behandeln die beschriebenen Welten für meinen Geschmack aber viel zu oberflächlich. Ich hätte mir gerade bei diesem Thema auch mehr Karten gewünscht – z. B. Tolkiens Welt bietet sich dafür geradezu an. Das ist meiner Meinung nach eine verpasste Gelegenheit.

Dieses Rezensionsexemplar habe ich von der Agentur Literaturtest erhalten.

Wonderlands Hrsg Laura Miller Rezension Innen 2

Bibliographische Daten

Titel: Wonderlands. Die fantastischen Welten von Lewis Carroll, J.K. Rowling, Stephen King, J.R.R. Tolkien, Haruki Murakami u.v.a.
Reihe:

Autor:
Laura Miller (Hrsg.)
Übersetzung:

Verlag:
wbg Theiss
Genre/Zielgruppe:
Science Fiction, Fantasy/Liebhaber von Worldbuilding

Preis: 28,00 € (genialokal)
ISBN:
978-3-8062-4072-6
Format:
Hardcover
Umfang:
320 Seiten
Erschienen:
02.10.2020
Besonderheit:
300 farbige Abbildungen


Weitere Meinungen zu Wonderlands

„sehr schön aufgemacht, sehr informativ“

Isi von Tintenwelten (Video)

„Ein informatives Nachschlagewerk was stark davon abhängig ist, wie sehr sich der Leser für die Klassiker der Weltliteratur interessiert.“

Sandra von Hörnchens Büchernest

„Wenn das Buch schon „Wonderlands“ heißt und es sich um die Welten dreht und es kaum um die Welten geht, sondern in der Regel es nur eine Zusammenfassung des Buches oder einer Buchreihe ist, ist es dann wiederum ein wenig am Thema vorbei.“

Andrea von EasyPeasyBooks

2 Kommentare

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