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Uff. Death. Life. Repeat. ist ein Buch, das erst einmal verdaut werden muss. Eine Triggerwarnung zu den Themen verbale und körperliche Gewalt gegenüber Mädchen und Frauen, Vergewaltigung und toxische Männlichkeit ist angebracht. Auch exzessiver Alkohol- und Drogenkonsum auf Partys kommen im Buch vor, darüber hinaus gewaltvolle Tode unterschiedlicher Art.
Es gibt vieles, was Death. Life. Repeat. von den Büchern unterscheidet, die ich normalerweise lese.
Als erstes fällt mir das Lesemotiv ein: ich lese im Normalfall zur Entspannung, zum Abschalten vom Alltag. Death. Life. Repeat. lässt das nicht zu.
Dann ist da die Erzählform, im Präsens aus der Ich-Perspektive eines Mitschuldigen. Alles Erzählte geschieht genau jetzt, während ich es lese. Im Gegensatz zur Vergangenheitsform, in der die meisten Bücher geschrieben sind, die ich sonst lese, wirkt dadurch alles sehr unmittelbar, distanzlos. Bedrückend.
Und schließlich enthält Death. Life. Repeat. abgesehen von der Zeitschleife keine Fantasy-Elemente, sondern nichts als die schonungslose Realität.
Die ersten paar Kapitel erinnerten mich an Bücher, die ich während meiner Schulzeit lesen musste (die Betonung liegt auf „musste“): trocken, gelangweilt, abgestumpft, stellenweise abstoßende „Jugendsprache“. Deshalb vergingen auch einige Wochen, bevor ich mich zum Weiterlesen aufraffen konnte. Und obwohl dieses Gefühl von Schullektüre, von einem Jugendbuch, das dringend eine Botschaft vermitteln will, bis zum Ende nicht verflog, gefiel es mir zum Ende hin etwas besser. Nachdem ich verstanden hatte, wie diese Geschichte aufgebaut ist, wie sie funktionieren soll.
Die Botschaft ist klar und deutlich: Übergriffe, Missbrauch und – im Klartext – Vergewaltigungen sind Realität. Darüber zu schweigen löscht diese Wahrheit nicht aus. Und neben den Tätern müssen nicht die Mädchen und Frauen, die meist als Betroffene oder Opfer dastehen, zur Verantwortung gezogen werden, sondern die Jungs und Männer, die die Anzeichen übersehen (wollen) oder gar in vollem Bewusstsein wegschauen.
Obwohl es auch für die Hauptfigur James Spencer mehr als eine Frau braucht, um ihn mit der Nase auf den Kern des Problems zu stoßen, erkennt er am Ende seine eigene Schuld und die Konsequenzen seiner Taten – und die Konsequenzen, die aus seinem Nichtstun entstanden. Der mühsame Weg zu dieser Erkenntnis, der von der Autorin in Form einer Zeitschleife und der ständigen Wiederholung eines einzelnen Tages dargestellt wird, ist auch für mich als Leserin mühsam und anstrengend gewesen.
An einigen Stellen wollte ich Spencer am Nacken festhalten und seinen Kopf in die richtige Richtung drehen, in anderen Momenten dachte ich, jetzt muss der Junge es doch verstanden haben! Aber nein, die gesellschaftliche Sozialisierung, also die Macht der Gewohnheit, war stärker. So frustrierend das als Leseerlebnis auch war – in der Realität sieht es eben genau so aus: Es sind immer die anderen. Nie kann Mann sich vorstellen, dass die eigenen Freunde etwas so Schreckliches tun würden. Und schon gar nicht würde man selbst irgendwelche Grenzen überschreiten. Sie wollten das doch. Hey, lach doch mal!
Es war stellenweise schwer, einfach weiterzulesen. Ich verstehe, was die Autorin mit ihren Dialogen, Chatverläufen und Gedanken von Spencer erreichen will, und meiner Meinung nach hat sie das zumindest bei mir auch geschafft. Genau das ist aber auch der Grund, weshalb ich keinen Spaß beim Lesen hatte und mich durchgehend richtig schlecht gefühlt habe.
Ich glaube, wenn jemand beim Lesen von Death. Life. Repeat. auch nur einen Funken Freude empfindet, ist das ein deutliches Signal, den eigenen moralischen Kompass unter die Lupe zu nehmen.
Technisch gut gemacht fand ich die Zeitschleifen. Sie repräsentieren für mich das ständige Überdenken, ob eine einzelne andere Entscheidung irgendetwas an dem schlimmen Ausgang eines Abends geändert hätte. Was wäre gewesen, wenn? Hier wird dieses Gedankenkarussell nun zur Abwechslung einmal nicht dem Opfer eines Übergriffs, sondern einem Mitschuldigen bzw. Mitläufer des Schuldigen in den Kopf gesetzt.
Dass es Bücher wie Death. Life. Repeat. schwer haben, das richtige Publikum zu erreichen und die erhoffte Botschaft erfolgreich zu vermitteln, dafür bin ich selbst mit meinem ersten Instinkt aus „Oh, das liest sich wie eine Schullektüre – davon brauche ich erst einmal eine Pause!“ das beste Beispiel. Und das, obwohl meine letzte Schullektüre schon fast 10 Jahre her ist. Ich denke dabei auch an Bücher wie Wie du mich siehst von Tahereh Mafi, das ich lange nach meiner Schulzeit gelesen habe und noch immer so wichtig finde.
Deshalb hoffe ich, dass einige Jungen und junge Männer dieses Buch lesen und verstehen – und dabei ihr eigenes Umfeld und ihre eigene Verantwortung überdenken.
Noch einmal: es machte mir keine Freude, Death. Life. Repeat. zu lesen, deshalb sieht meine Rezension entsprechend aus. Aber das Buch ist handwerklich gut gemacht und es vermittelt erfolgreich eine wichtige Botschaft. Hut ab.
Ich danke dem Verlag und NetGalley für das Rezensionsexemplar! #DeathLifeRepeat #NetGalleyDE
Titel: Deth. Life. Repeat.
Autor*in: Louise Finch
Übersetzung: Wolfgang Egle
Reihe: –
Verlag: Beltz & Gelberg
Gerne/Themen/Altersempfehlung: Gewalt, toxische Männlichkeit, Gruppenzwang, Rape Culture, Tod, Zeitschleife, Jugendbuch, ab 14 Jahren
Preis: 14,99 € (In deiner Lieblingsbuchhandlung kaufen.)
ISBN: 978-3-407-75948-1
Erschienen: 17.07.2024
gelesenes Format: eBook, auch gebunden erhältlich
Umfang: 304 Seiten