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Rezension: Solartopia 1. Am Anfang der Welt | Victoria Hume

5 Minuten Lesezeit

Dystopische Geschichten kenne ich bisher eher aus Jugendromanen für ältere Leser*innen oder aus der allgemeinen Belletristik, aber weniger im Kinderbuchbereich. Deshalb war ich sehr neugierig, wie Solartopia die Kombination aus Existenzangst, zweifellos gewaltvollen Strukturen und einem Fokus auf Klimathematik und Pflanzen als schützenswerte Lebewesen hinbekommen würde – und das irgendwie kindgerecht, immerhin wird das Buch ab 12 Jahren empfohlen.

Worum geht es?

»Wir sind die Letzten. Finn und ich in einem Wolkenkratzer mitten im Nirgendwo. Wie zwei Pflanzen, deren Wurzeln sich auf einen kargen Felsen krallen. Wir werden hier überleben. Weil wir müssen.« 

Seit sie denken kann, lebt die sechzehnjährige Nova zusammen mit ihren Pflanzen und ihrem besten Freund Finn in Turris, einem riesigen, einst luxuriösen Hochhaus. Weit unter ihnen gibt es nichts als giftigen Smog. In der Turmspitze jedoch versorgen sie sich autark dank ihres Dachgartens, einem kleinen Paradies. Aber als der giftige Nebel am Turm hochkriecht und Novas Garten zu sterben beginnt, weiß sie: Sie müssen Turris verlassen.

Auf einer lebensgefährlichen Reise erkennt Nova, dass nichts von dem, was sie über die Welt weiß, zu stimmen scheint. Sie und Finn entdecken Solartopia, eine futuristische Metropole, in der die Menschen in Einklang mit Technik und Natur leben. Gemeinsam mit dem jungen Piloten Jett kommen sie dem Geheimnis von Solartopia auf die Spur – und entfesseln einen Kampf, der die letzten Reste der Menschheit vernichten könnte.

Ich finde, diesen Spagat schafft Solartopia tatsächlich: Nach dem anfänglichen einfachen, aber idyllischen Leben in Turris schliddern Nova und Finn in die Utopie, die die titelgebende Stadt Solartopia repräsentiert, bevor diese glänzende Fassade nach und nach große Risse bekommt und sie schließlich in einem Grauen aus Arbeitslagern, Verschwörungen und dem Verrat durch die Reichen und Mächtigen ankommen. Über all dem schwebt ein dünner Schleier der Fantasy, sodass ich mich ständig gefragt habe, was als nächstes passieren würde – schließlich scheint alles möglich zu sein, wenn es mystischen Smog, Funken sprühende Pflanzen und Menschen gibt, die diese Pflanzen auf mysteriöse Weise kontrollieren können.

Für mich ist Solartopia die Geschichte eines Mädchens, das nach und nach den kindlichen Blick auf die Welt verliert und die Realität zu sehen lernt, während es gleichzeitig am Idealismus festhält und bereit ist, für eine bessere Welt zu kämpfen. Einige Entwicklungen der Handlung haben mich sehr überraschen können (dicker Pluspunkt!) und machen mich neugierig, wie die Geschichte in Band 2 fortgesetzt wird.

Allerdings hat die Schreibweise mich nicht recht fesseln können. Das kann und möchte ich nicht allein auf die Tatsache schieben, dass ich allein durch mein Alter nicht mehr zur Zielgruppe gehöre (es gibt genug Bücher für Kinder und Jugendliche, die auch mich noch vom Hocker hauen), sondern auf die teilweise einfach spannungslosen Szenen. Natürlich muss viel beschrieben werden, und natürlich sehen wir die Geschehnisse durch Novas Augen und nehmen damit ihren naiven Blickwinkel ein, aus dem alles groß und aufregend und neu ist, und in ihren einfachen Worten erzählt wird. Trotzdem hätte dieses Buch nach meinem Empfinden an so mancher Stelle gestrafft werden können.

Apropos naiver Blickwinkel von Nova: dass sie sechzehn Jahre alt ist, vergisst man schnell. Ich habe gegen Ende wirklich nicht mehr gewusst, wie alt sie ist, und extra für diese Rezension nochmal nachgelesen. Sie kam mir mehr wie eine Zehnjährige vor. Wie sollte Nova unter ihren besonderen Umständen auch all die Dinge lernen und die Erfahrungen machen, die in unserer Gesellschaft Jugendliche ausmachen? Dieser sehr junge Eindruck von ihr ist auch Grund dafür, warum mir eine bestimmte Szene gegen Ende zwischen Nova und Jeff sehr unangenehm war. Es fühlte sich einfach falsch an.

Ich kann mir eine erwachsenere Version dieser Geschichte sehr gut vorstellen, an ein Publikum von vielleicht 16, 17 Jahren gerichtet. Es könnten viel mehr Details aufgearbeitet werden, die hier nur kleine Randerscheinungen sind: Politische Strukturen, das Schulsystem der Solaris, die geheimen Rettungsmissionen von Jeff, die Tribute-von-Panem-artigen Außenbereiche mit dem glänzenden Solartopia im Zentrum, Armut und Hunger vs. überbrodelnder Reichtum, Verrat und Verschwörung, Klimaschutz und menschengemachte Umweltvernichtung, Existenz- und Zukunftsängste – das alles bietet großes Potenzial für eine Ausarbeitung für ältere Lesende.

Ich danke NetGalley und dem Verlag für das Rezensionsexemplar!

Originaltitel: Turris
Autor*in: Victoria Hume
Übersetzung: Katrin Segerer
Verlag: FISCHER Kinder- und Jugendbuch E-Books
Themen/Alter: Dystopie, Solarpunk, Klimawandel, Pflanzen, ab 12 Jahren

Preis: 14,99 € (kaufen auf genialokal.de)
ISBN:  978-3-7336-0538-4
Erschienen: 25.10.2023
Format: eBook, auch gebunden
Umfang: 320 Seiten

Für eine Dystopie ab 12 Jahre, gab es hier einige düstere Elemente und gut gemacht, spannende Plot-Twists. Auch Nova als Protagonistin und Erzählerin war für mich zu jeder Zeit nachvollziehbar und man baut zu ihr relativ schnelle eine Bindung auf. Mich hat dieser Solarpunk-Roman auf jeden Fall gefesselt und vor allem die offenen Fäden am Ende lassen meine Vorfreude auf den zweiten Band steigen.

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Das Cover des Buches Solartopia - Am Anfang der Welt vor einem Foto-Hintergrund. Dieser zeigt eine Stadt aus der Perspektive eines Hubschraubers. Die Hochhäuser schauen durch eine Smogdecke, das ganze Bild ist in gelblich-oranges Licht getaucht, das mehr mit Luftverschmutzung als mit der Sonne zu tun hat.
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