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Rezension: Das Haus in dem Gudelia stirbt | Thomas Knüwer

5 Minuten Lesezeit

Es fällt mir schwer, Das Haus in dem Gudelia stirbt zu bewerten. Ich hatte absolut keinen Spaß beim Lesen, man sieht das Ende schon weit früher kommen, und doch konnte ich das Buch nicht aus der Hand legen – wie bei einem Autounfall, bei dem man kaum wegschauen kann. Auch der Schreibstil war nicht nach meinem Geschmack, die Sätze waren viel zu kurz, zu schlicht, zu trocken, zu emotionslos. Trotzdem wurden so viele Gefühle vermittelt, so viel Leid, Angst, Zorn, Resignation, Lebensmüdigkeit troff geradezu aus jeder Zeile. Nicht einmal die Charaktere fand ich irgendwie spannend. Und doch habe ich das Buch an einem Abend inhaliert.

Worum geht es in?

Eine Sturmflut sucht das kleine Dorf Unterlingen heim, Wassermassen drängen die Anwohner aus ihren Häusern – nur eine bleibt, so wie sie es schon immer getan hat: Gudelia. Sie blieb 1984, als ihr Sohn ermordet wurde, 1998, als sie sich von ihrem Mann trennte, und auch jetzt, als ihr Haus in den Fluten einzustürzen droht. Nicht einmal die beiden gefesselten Leichen, die an ihrem Fenster vorbeitreiben, können sie umstimmen. Denn Gudelias Gedanken gelten nur ihrem Haus, in dem sich ihr dunkelstes Geheimnis verbirgt.

Das Haus in dem Gudelia stirbt: Weil der Titel schon verrät, wohin die Reise führt, gab es keine wirklichen Überraschungen. Zwar wurde lange Zeit nicht explizit ausformuliert, was passiert ist und warum Gudelia ihr Haus nicht verlassen will, aber es ist schon nach wenigen Seiten nicht wirklich schwer zu erraten. Zwischendurch habe ich mich an die Serie Tatort erinnert gefühlt: Oft weiß man als Zuschauer*in schon früh, wie der Fall ausgehen wird, aber das Wie ist das Ziel der Sendung – der Tat-Hergang, die Umstände, die Motivation der Täter*innen.

Die Erzählperspektive von Gudelia selbst macht Das Haus in dem Gudelia stirbt zu einem extrem bedrückenden Erlebnis, ich würde es schon fast als verstörend bezeichnen. Das Grausamste war für mich, dass so viele kleine Details genannt wurden, die die Geschichte so realistisch und möglich erscheinen lassen. Zum Beispiel wird Gudelia in keiner der drei erzählten Zeitabschnitte als eine vollwertige und für sich allein stehende Person betrachtet:

Erst sieht man sie als eine trauernde, nicht zurechnungsfähige Mutter, dann nur als die Frau von irgendjemandem und schließlich als eine verwirrte alte Frau, der man nicht glauben kann. Das ist nur ein kleiner Tropfen in Gudelias Fass, das irgendwann überläuft. Aber Details wie diese sorgen dafür, dass ich mir wirklich vorstellen kann, dass die erzählte Geschichte so oder so ähnlich irgendwo stattfinden könnte – und das macht es beängstigend.

Das Haus in dem Gudelia stirbt ist kein 08/15-Polizei-Ermittlungs-Roman, sondern ein slow burn Drama, bei dem man das schreckliche Ende schon lange kommen sieht, aber doch nicht verhindern kann.

PS: Ich habe mir zwischen Lesen und Schlafengehen unterhaltsame Musik angemacht, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Memo an mich: Keine Krimis/Thriller am Abend!

Ich danke NetGalley und dem Verlag für das Rezensionsexemplar!

Titel: Das Haus in dem Gudelia stirbt
Autor*in: Thomas Knüwer
Übersetzung:
Reihe:
Verlag: Pendragon Verlag
Gerne/Themen/Altersempfehlung: Krimi, Thriller, slow burn, für Erwachsene

Preis: 15,99 € (kaufen auf genialokal.de)
ISBN: 978-3-86532-887-8
Erschienen: 21.08.2024
gelesenes Format: eBook, auch als Taschenbuch erhältlich
Umfang: 290 Seiten
Besonderheit:

„Mit viel Sinn für Suspense und angemessen zurückhaltender Sprache gibt er [der Autor] der alten Gudelia Stimme, Gesicht, Kontur. Man folgt ihr auf Schritt und Tritt, erfährt mehr und mehr, was in den vergangenen Jahrzehnten geschah – und teilt ihre Schuld, ohne dass Knüwer einen zu ihrer Verurteilung drängte. Nach diesem Verlagsdebüt hofft man auf mehr Knüwer, viel mehr.“

„Insgesamt ein interessanter Kriminalroman – schon weil er nicht dem ewigen gleichen Konzept unterliegt. Aber mir fehlten Dinge von Gewicht, einige Szenen waren zu weit ausgewalzt, zu wiederholt für mich. Ich war enttäuscht, weil alles das passiert, was man von Anfang an ahnt, mit einer geringfügigen Abweichung. Da fehlte mir schlicht die Finesse. Fazit: Gutes Mittelmaß.“

„Neben der Jahrhundertflut, das aktuelle Topthema Klimawandel lässt grüßen, stehen Alkoholismus, Homosexualität und die obsessive Liebe einer Mutter im Fokus der Handlung. Ein Mix, der bei Gudelia – hier liegen Gut und Böse sehr eng beieinander – zu verheerenden Konsequenzen führt. Ein tödlicher Kreislauf, der nicht mehr aufzuhalten ist und ein furioses Ende findet. Großes Kopfkino; darf gerne verfilmt werden.“

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Dieses Bild zeigt das Cover des Buches Das Haus in dem Gudelia stirbt mittig vor einem Hintergrund. Das Buchcover besteht aus einer tiefroten geziegelten Mauer mit tiefen schwarzen Rissen und weißer Schrift. Dieses Motiv greift der Hintergrund auf: Er zeigt eine erdfarben verputzte Mauer mit einem Breiten Riss, der das darunterliegende rote Mauerwerk freilegt.
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